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06.04.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung: Fürchterliches Kuscheln im Kinderzimmer
Rupertinum Salzburg: Gudrun Kampls samtene Märchenwelt verortet die guten, alten Surrealisten in einer staunenden Gegenwart.

Braves Kind? Dann schaukeln dich die drei kleinen roten Samtbären in die wohlig-weiche Riesen-Wunderwelt. Wo plüschige Bälle vor Himmelsleitern kullern, die Narrenkappe gar über die Hüfte rutscht und der geheimnisvolle Tisch bis zum Hals geht. Statt dem Schaukelpferd wippt eine Mega-Pute, zu hoch zum Besteigen. Ein Netz fängt Herzen aus der Luft, doch das grobe Gitter des baumelnden Käfigs würde sie nicht halten. Lieber liegen also, auf breiten Pölstern, und die Truthähne beobachten im Video. Papa-Bär wacht daneben. Sieht er die Monster-Spinne an der Decke? Oder das schwarze Adernkleid, das gierig in der Ecke lauert?

"LiebKind" braucht keine Angst zu haben - oder? Gudrun Kampl hat ihm eine kuschelig-fürchterliche Fantasie gewidmet, die sich jetzt in der verglasten Arkadenhalle des Rupertinums materialisiert hat. Das Spiel mit der Perspektiv-Verschiebung, mit der Übergröße der Objekte versetzt Erwachsene in die Halbwüchsigen-Rolle. Gerade groß genug für die Erkenntnis: in die Tischplatte sind Knöchlein und blutiges Allerlei eingelassen.

Aus morbidem Samt, Tierhaut, Knochen und Kunststoff sind die fantastischen Objekte genährt, geklebt, gebastelt. Der Tod steckt hier hinter und in allem, will aber nichts Böses. Anscheinend. Scheinbar? Viel Biografisches, Kindheitserinnerungen ans Landleben steckt in den Arbeiten Kampls, 1964 in Klagenfurt geboren. Leben und Sterben existieren am Bauernhof noch unaufgeregt nebeneinander - aber welches Kind spielt in der Stadt schon mit blutigen Federn und Hühnerknochen?

Ein Kindergedicht spritzte Kampl mit Kunststoff-Pistole an die Wand: Wie Karamell zerfließt die Schrift, zieht klebrige Fäden, biegt sich - süßlich, aber ziemlich brutal in die Welt geworfen. Aus diesen Gegensätzen nährt die Installation ihre Faszination, gedacht als zeitgenössische Ergänzung zum heurigen Surrealismus-Schwerpunkt im Rupertinum: In den oberen Geschoßen werden eine Retrospektive von Victor Brauner sowie surrealistische Grafik gezeigt. Mehr als einen irrealen Augenblick hat "LiebKind" aber nicht mit den zweidimensionalen Visionen gemein - schon gar nicht die weibliche Autorenschaft. Das kann wohl als wichtigste Ergänzung betrachtet werden. sp

Bis 11. Juli. Di.-So. 10-18 Uhr, Mi. 10-21 Uhr.

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