Anmutig wie eine Nixe
Maria Altmann, die Tochter von Adele Bloch-Bauers Schwester
Marie-Therese ("Thedy"), ist aufgrund der Restitutionsforderung, die sie
in Sachen von sechs der wichtigsten Klimt-Gemälde gegenüber der Republik
Österreich erhebt, seit ungefähr vier Jahren vielen ein Begriff. Hier soll
jedoch an eine andere Nichte erinnert werden, an Bettina, die Tochter von
Adele Bloch-Bauers Bruder Eugen Bauer (1869 bis 1915). Bettina Bauer
wird am 19. März 1903 in Wien geboren. Wegen ihrer schwachen
gesundheitlichen Konstitution verbringt sie bereits in der Kindheit viel
Zeit in Grado, ein Ort, der bestimmend für ihr Werk werden sollte. 1920
bis 1923 studiert sie an der Kunstgewerbeschule in Wien, danach für zwei
Jahre in Berlin. Sie etabliert sich als freie Künstlerin, Malerin und
Lithographin, später kommt als ein erfolgreicher Zweig ihrer Tätigkeit
textiler Handdruck hinzu.
In den zwanziger Jahren ist sie
mit Arthur Schnitzlers Sohn Heinrich befreundet. Der Dichter kann
sie gut leiden, sie ist regelmäßig zu Gast in der Sternwartestraße.
(Tagebuch 18. 3. 1925: "Bettina B.; hübsch und
sympathisch.
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In den zwanziger Jahren ist sie mit Arthur Schnitzlers Sohn
Heinrich befreundet. Der Dichter kann sie gut leiden, sie ist regelmäßig
zu Gast in der Sternwartestraße. (Tagebuch 18. 3. 1925: "Bettina B.;
hübsch und sympathisch.-") Bettina erinnert sich noch 60 Jahre später an
diese Einladungen zum Essen, an die Wirtschafterin, die die weißen Kittel
aus der Ärztezeit des Hausherrn auftrug. Auch zwei Anekdoten, die sie über
Schnitzler erzählt, haben mit dem Essen zu tun: Bei einer Begegnung im
Berliner Hotel Bellevue sitzen beide in der Halle zusammen. Schnitzler
bestellt Brötchen mit Kaviar, aber als sie kommen, nimmt er keines und
fordert Bettina auf, alle zu essen. Bettina verwundert: "Aber Herr Doktor,
ich weiß doch, dass das Ihre Lieblingsspeise ist. Warum nehmen Sie denn
nichts?" "Weil man seine Selbstbeherrschung an kleinen Dingen üben soll,
damit man sie bei größeren Gelegenheiten außer acht lassen kann." In Wien
besucht sie der Autor in ihrer Wohnung in der Taubstummengasse, und steigt
alle vier Stockwerke zu Fuß hinauf: "Aber Herr Doktor, warum haben Sie
denn nicht den Aufzug benützt?" "Ja, wissen Sie, ich hab von einem
Menschen gehört, der in einem Aufzug immer vom Keller in den Dachboden und
wieder hinunter fahren musste, weil der Aufzug kaputt war. Und die
Vorstellung, in einem Aufzug zu verhungern, ist mir unerträglich!"
1930 heiratet Bettina Bauer den Zeichner, Radierer und Bildhauer Georg
Ehrlich (1897 bis 1966), wie sie ein Absolvent der Wiener
Kunstgewerbeschule (und Schüler Oskar Strnads). Die Kunsthistorikerin
Erika Tietze-Conrat schrieb: "Er gewann die meiste Sicherheit und das
größte Selbstvertrauen durch seine Heirat mit Bettina, die ebenso schön
ist wie sie begabt ist - gleichermaßen als Malerin und Autorin. Bettina
verbindet die Weitherzigkeit der Bohèmienne mit dem Lebensstil einer Frau
von Welt." 1938 emigrieren beide nach London, das ihr fester Wohnsitz
bleibt. Bereits seit Beginn der dreißiger Jahre befasst sich Bettina
mit Kinderbüchern.
Eines ihrer ersten, in einer
kleinen Auflage handgedruckt erschienen, wird schon 1933 von der
Graphischen Sammlung Albertina erworben. Ein vielfach bei ihr
vorkommendes Sujet sind Nymphen, Faune, Nixen, Meerexistenzen -
wahrscheinlich, weil sich darin ein Teil ihres Selbst
ausdrückt. |
Eines ihrer ersten, in einer kleinen Auflage handgedruckt erschienen,
wird schon 1933 von der Graphischen Sammlung Albertina erworben. Ein
vielfach bei ihr vorkommendes Sujet sind Nymphen, Faune, Nixen,
Meerexistenzen - wahrscheinlich, weil sich darin ein Teil ihres Selbst
ausdrückt. Und auch die Technik, die sie oft anwendet - Aquarell auf
Reispapier - vermittelt die Transparenz, das Opalisie- rende dieser
Darstellungen. Ihr Humor bewahrt sie allerdings stets davor, allzu
ätherisch zu werden! Dennoch: eine liebenswerte Naivität befähigt sie zur
erfolgreichen Kinderbuchautorin, die eine Vielzahl von Werken in
englischen und amerikanischen Verlagen publiziert. Oft greift sie
dabei auf Erfahrungen zurück, die sie in Grado gemacht hatte. Zum Beispiel
erschien 1957 in New York das Buch "Pantaloni": Darin wird in
großformatigen Bildern, auf denen es viel zu entdecken gibt, und in einer
einfachen, aber niemals kindertümelnden Sprache erzählt, wie ein Fischer
sich bei der Arbeit die Hose an einem Angelhaken zerreißt, dann auf dem
Wochenmarkt eine neue Hose kauft, die Hälfte des Kaufpreises aber nicht in
bar bezahlen kann, sondern dafür ein Hundebaby hergibt, das folgerichtig
von seinem neuen Besitzer, dem Sohn des Marktstandbesitzers, den Namen
"Pantaloni" erhält. Pantaloni geht dann für einige Zeit verloren, kommt
aber wohlbehalten zu seinem kleinen Herrn zurück. Das alles ist ohne
pädagogischen Zeigefinger und sehr amüsant erzählt. Neben ihrer
eigenen künstlerischen Tätigkeit hilft Bettina auch immer wieder ihrem
Mann bei dessen Bildhauerarbeit. Er diktiert ihr seine Erinnerungen, und
sie sorgt mit einer großzügigen Schenkung an die Wiener Stadt- und
Landesbibliothek dafür, dass sein Nachlass geschlossen bewahrt bleibt.
Zu den vielen guten Freunden von Georg und Bettina Ehrlich zählen
Zelebritäten wie Elisabeth Bergner, Peter Pears und Benjamin Britten. Sie
wird immer wieder ob ihres originellen Blicks auf Dinge und Menschen
bestürmt, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben, aber ihre Replik lautet
stets lapidar: "Das geht gar nicht - denn schriebe ich nichts über Liebe,
wär's doch unaufrichtig; schrieb' ich aber über die Liebe, wär's indiskret
- da halt' ich lieber das Maul." Bettina stirbt am 10. Oktober 1985 in
einem Londoner Krankenhaus an Lungenkrebs. In jenem Sommer hatte sie noch
mit glühender, jugendlicher Begeisterung am Wimbledon-Sieg eines
17-jährigen Deutschen, B. B. (auch ihre Initialen!), Anteil genommen und
mit genau derselben Intensität davon erzählt, dass ihr jeden Morgen ein
Eichhörnchen die Ehre seines Besuches an ihrem Küchenfenster erweise.
Die Österreichische Galerie im Oberen Belvedere ist nicht nur das
gegenwärtige Domizil der sechs heiß umstrittenen Klimt-Gemälde, sondern in
ihrem Besitz befinden sich auch zwei sehr liebenswürdige Kinderbildnisse,
die Max Kurzweil von Bettina und ihrer älteren Schwester Mira 1908 gemalt
hat. Maria Altmann, auf diese Porträts angesprochen, erinnert sich: "Ja,
wir sind als Kinder auch gemalt worden, und als meine Schwester mein
Porträt im fertigen Zustand gesehen hat, hat sie gesagt: die Knie sind
äußerst ähnlich getroffen!" Im Verlag "Bibliothek der Provinz",
Weitra, sind heuer zwei Kinderbücher von Bettina Ehrlich wieder aufgelegt
worden: "Francesco & Francesca" und "Putzi".
Erschienen am: 10.10.2003 |
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