Erinnern und Rekonstruieren: Stephen Prina in der Wiener Secession
Erinnerungen in Pink
|
Monochromer Minimalismus: Arbeiten von Stephen Prina in der Sesession. Foto: Thaler
|
Von Manisha Jothady
Fraglich, ob man die eigenen vier Wände damit bestücken würde: mit
Einbaumöbeln im Stil der 1940er Jahre in punschkrapfenähnlichem Couleur.
Was derzeit im Hauptraum der Secession wie eine extravagante
Möbelhausabteilung aussieht, stammt aus der Übersetzerfeder von Stephen
Prina (geboren 1954).
Mit Bezug auf die Minimal- und Concept Art
unterzieht der Amerikaner seit nunmehr drei Jahrzehnten Motive und
Themen aus Musik, bildender Kunst, Literatur, Film und Philosophie
vielfältigen Transformationsprozessen. Sei es in Form von Malereien,
Installationen, Videos, Zeichnungen oder Performances – stets bindet er
Vorhandenes und Bekanntes in neue Zusammenhänge ein, rekonstruiert und
variiert die seinen Vorlagen zugrunde liegenden Strukturen. Und wirkt
damit initialzündend auf das Schaffen jener jüngeren Generation ein, in
deren Arbeit das Zusammenspiel von Form und Zitat eine zentrale Rolle
spielt.
"As He Remembered It" heißt Prinas Soloschau in Wien und trägt damit
den Rekonstruktionscharakter bereits im Titel. Bezugspunkt sind zwei
nicht mehr existierende Häuser, die der austro-amerikanische Architekt
R. M. Schindler im Los Angeles der 1940er errichtet und ausgestattet
hat.
Anhand von Plänen und Fotos ließ Prina das Inventar, insgesamt 28
Objekte, nachbauen. Das Ausgangsmaterial und die
Konstruktionszeichnungen zu diesem Revitalisierungsprozess sind im
Katalog zur Ausstellung abgebildet. In der Schau selbst werden die
gedoubelten Interieurs für Küche, Wohn-, Schlaf-, Ess- und Badezimmer
zum Grund für eine monochrome Malerei in alarmierendem "Pantone
Honeysuckle 2011 Color of the Year".
Objekte als Farbträger
Skulptur sei das, worüber man stolpert, wenn man zurücktritt, um sich
ein Gemälde anzusehen, soll der Maler Ad Reinhardt gesagt haben.
Stephen Prinas Installation belehrt uns eines Besseren: Skulptur ist
das, worauf man beim Betrachten von Malerei stößt und vice versa, lässt
sich hier sagen. Wenn Prina die Objekte in Farbträger überführt, so ist
das eine Absage an festgefahrene Ordnungsmuster und ein Angebot, in sich
abgeschlossene Gegebenheiten für andere Lesearten zu öffnen. Prinas
Ansatz lässt sich mit jenem der Appropriation Art, der Kunst der
Aneignung, vergleichen. Welcher Versatzstücke er sich auch immer
bedient, stets schafft er ein System von ineinander gestaffelten
Referenzen, die auf die mediale Beschaffenheit der Dinge ebenso abzielt
wie auf tradierte Wahrnehmungsmodi.
Wie sehr der Vorgang des Aneignens und Hervorhebens jenen des
Ausblendens miteinschließt, verdeutlicht die 1988 begonnene Serie
"Exquisite Corpse: The Complete Paintings of Manet". Prinas Adaptionen
geben nur noch die Proportionen namhafter Werke des Impressionisten zu
sehen. Mit schwarzen Schnüren hat er die Formate einiger von Manets um
1874 geschaffenen Gemälde auf planer Wand abgesteckt – die Landschaft um
Argenteuil und die idyllische Bootsfahrt können hier bestenfalls
imaginiert werden. Auch in den Druckgrafiken, die sich als maßstäblich
verkleinerter Index aller 556 Werke Manets lesen, bewegt sich Prina im
Spannungsfeld zwischen Zeigen und Verbergen, zwischen Realem und
Imaginiertem.
Was bleibt übrig von Möbeln, die aus ihrem Kontext gelöst und
verfremdet rekonstruiert werden? Was bleibt übrig von motivisch
entkernten Meisterwerken der Malerei? Es sind die Erinnerungen an etwas,
das einmal da war und uns nun abhanden gekommen ist. Und das fühlt sich
an wie Phantomschmerzen nach einer Amputation.
Ausstellung
As He Remembered It
Stephen Prina
Secession
Zu sehen bis 21. August
Printausgabe vom Samstag, 04. Juni 2011
Online seit: Freitag, 03. Juni 2011 16:33:04