Bei einem
Vorstellungsgespräch hat es Jimmy Zurek ein bisschen leichter als
andere Künstler. Mappenschleppen ist unnötig – Zurek hat seinen
Lebenslauf nämlich immer bei sich: auf seine Haut tätowiert. Das hat
zumindest Gerald Matt schon einmal so beeindruckt, dass am Ende eine
Einzelausstellung in der Kunsthalle herausgeschaut hat. Auf diese Weise
macht er auch kein Hehl aus seinen Helden: Auf einem Unterarm prangt
Elvis Presley, auf dem anderen Johnny Cash: „Die sind die Besten.“
Auch
ganz gut findet Jimmy Zurek aber Heiner Müller und David Lynch – seine
„Ziehväter“. Sein ganzer linker Arm ist etwa Lynchs Kultserie „Twin
Peaks“ gewidmet. Vom Namen der Schauspielerin Madchen Amick bis zum
Logo des Doube R Diners. So viel Verehrung muss sich dann natürlich in
der Arbeit niederschlagen. Das tut es auch – in der Ausstellung „Gin
Palace“. Gin Palaces, erklärt Zurek, „waren eine Erfindung der
1830er-Jahre. Dort haben sich die Arbeiter Nordenglands getroffen, um
Gin zu trinken, weil der billig war. Die Reichen haben zu Hause in
ihrem Salon Wein getrunken. Die 14 Designer und Fotografen, mit denen
ich bei der Ausstellung zusammenarbeite, die sind, metaphorisch
gesehen, auch alle Gintrinker.“
Die Schau ist auf verschiedene
Innenstadtgeschäfte aufgeteilt, von der Schmuckgalerie bis zum
Schuhgeschäft im Grätzel um die Spiegelgasse. Auch die Loos-Bar ist
eine Location. Was nur logisch ist, ist sie doch Jummy Zureks
„Wohnzimmer“. Dort entstehen mitunter auch Lieder für seine Band Wow
Bob Wow, die er aus David-Lynch-Texten destilliert. Der Künstler sieht
die Ausstellungsorte auch als Statement zum Kunstbetrieb. „Die Szene
ist teilweise schon ein bisschen abgehoben. Ich habe ein Prob-lem
damit, dass Kunst immer auf so elitäre Art und Weise präsentiert wird.
Müssen immer Worte verwendet werden, die es den Leuten vermiesen?
Wenn
man etwa vom Rezipienten redet, wenn man den Besucher meint. Und so
pseudointellektuell. Oft sind Bezüge an den Haaren herbeigezogen, das
soll mir einmal ein Kurator ernsthaft erklären. Und dann kann ich ihm
aber sicher sagen, dass das ein Schmarrn ist, was er macht.“ Im
Galerienbetrieb fühlt er sich auch nur bedingt wohl: „Es wird nicht
mehr nachgedacht, wer noch Inhalte hat, wer noch politisch ist. Viele
Künstler trauen sich gar nicht mehr, laut zu sein, die sind eingebettet
in eine saturierte Kunstszene, in eine etablierte Galerie, da spielt
dann schon die Angst mit, dass man das, was man schon erreicht hat,
wieder verliert. Da steh ich eher auf der aufständischen Seite.“
Atterseechuan.
Es bereitet Zurek sichtlich Freude, gerade den noblen ersten Bezirk mit
seiner Rock’n’Roll-Einstellung zu infiltrieren: „In ,Gin Palace‘ geht
es auch um Auflehnung. Mich beschäftigen zum Beispiel die Aufstände in
den Vorstädten von Paris extrem: Weil da auf der einen Seite die Angst
ist, dass so etwas komplett eskalieren kann. Aber auf der anderen Seite
versteh ich die Leute schon: Wenn du da im absoluten Dreck lebst und du
liest, dass der Sarkozy jetzt seiner Frau die dreigeschoßige Wohnung
von Yves Saint-Laurent gekauft hat . . .“
Es ist also sicher
kein Zufall, dass Zurek ein Faible für Heiner Müller hat: „Der hat für
das Volk in der DDR geschrieben. Heiner Müller hat zwar mit vielen
historischen Anspielungen und Bezügen auf die griechische Mythologie
gearbeitet. Aber man kann das alles auch lesen, ohne diese Bildung zu
haben.“ Antielitär ist dementsprechend ein Wort, das Jimmy Zurek gerne
verwendet. Mit dieser Einstellung geht er naturgemäß auch an seine
Theaterprojekte: „Ich habe Müllers ,Hamletmaschine‘ mit Bodybuildern
gemacht. Echte Bodybuilder, die Tag für Tag ins Fitnessstudio
gehen. Als ich die gefragt habe, haben sie zuerst gesagt, na ich weiß
nicht, mit Theater hab ich eigentlich nichts am Hut. Und als ich sie
dann überredet hatte, waren sie begeistert. So etwas ist für mich der
größte Erfolg. Noch größer, als einen Museumsdirektor zu überzeugen.“
In
der Ausstellung sind nun Arbeiten aus den letzten zehn Jahren zu sehen,
aber auch Neues. Zum Beispiel „Künstlerspeisekarten. Da steht dann
drauf: Velazquezspätzle mit Picassoß. Oder Atterseechuan mit
Goyasprossen.“ Aber auch ernste Fotoserien, wie jene – gerade wieder
aktuelle – über Menschen an ihrem Arbeitsplatz zum Thema: Wann reicht
es den Menschen, wann haben sie die Schnauze voll? Nur eine Reminiszenz
auf der Haut, die wird es diesmal nicht geben, denn Zurek macht gerade
eine
Tätowierpause. „Wenn doch, dann einen Werwolf, als Symbol des
Aufstands.“ Und was macht er, wenn ihm die freien Flecken auf dem
Körper ausgehen? „Dann müssen sich Fans tätowieren lassen. Oder
Galeristen . . .“