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07.09.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung | ![]() |
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Austellung: "Wir waren Wiener geworden" | ![]() |
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VON NORBERT MAYER | ![]() |
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Das Wien Museum Karlsplatz widmet eine kompakte Schau der Flucht der Ungarn im Jahre 1956. | ![]() |
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Ihre Majestät persönlich begrüßt den Besucher, der im Wien Museum Karls
platz die auf zwei Räume beschränkte und doch vielgliedrige Ausstellung
"Flucht nach Wien - Ungarn 1956" besucht. Auf einem kleinen Bildschirm
wird in Endlosschleife die Schlusssequenz des zweiten Sissi-Films gezeigt:
Kaiser Franz Joseph und seine Gemahlin bei der Krönung in Budapest,
zwischen ihnen der ungarische Graf Gyula Andrássy. Romy Schneider als
Kaiserin Elisabeth weint über "ihre" Ungarn. Dieser Heimatfilm wurde 1956 gedreht, und das
sentimentale Gefühl für die Nachbarn sollte noch im selben Herbst einen
Höhepunkt erreichen, der sich aus den Schrecken des Stalinismus nährte.
Die armen Ungarn! Am 23. Oktober 1956 entwickelte sich eine
Demonstration von Studenten zu einem Volksaufstand gegen das
kommunistische Regime, der in wenigen Tagen von sowjetischen Panzern
niedergewalzt wurde. Mehr als 180.000 Menschen flüchteten über die
burgenländische Grenze. Diese Flucht, die intensive Begegnung der beiden
durch den Untergang der Habsburger Monarchie 1918 getrennten Völker ist
das Thema der Schau. Es wird unsentimental entwickelt, man will den
Mythen, die seither tradiert wurden, nicht auf den Leim gehen. Zwar wird auch die Großzügigkeit dokumentiert, mit der
besonders anfänglich die erst im Jahr zuvor von der Besatzung befreiten
Österreicher den Flüchtlingen begegneten, doch vor allem die politischen
Zitate zeigen, wie dünn die Schicht der Hilfsbereitschaft war. "Ich warne
aber davor, dass wir, ich will nicht grausam sein, die Wohnungen zu
wohnlich einrichten, denn sonst kriegen wir die Leute und besonders
manche, nicht mehr weg", sagte Verteidigungsminister Ferdinand Graf Mitte
November im Ministerrat. Man habe sich durch die Flüchtlingssache in der
ganzen Welt einen Namen gemacht, meinte ein halbes Jahr später
Innenminister Oskar Helmer. Zugleich aber drängte er darauf, dass
Österreich für die Ungarn nur eine Zwischenstation bleiben sollte. Und der
Wiener Bürgermeister Franz Jonas schrieb Anfang 1957 in der
"Arbeiter-Zeitung", er höre nur noch Beschwerden darüber, dass die
ungarischen Flüchtlinge in der Straßenbahn gratis fahren, aber die Wiener
nicht das gleiche Recht hätten. Keine armen Flüchtlinge, sondern
selbstbewusste Aufsteiger - das passte nicht zum Sentiment der Wiener.
Von den 180.000 Flüchtlingen, die in Kasernen,
Gasthäusern oder privat untergebracht worden waren, machten sich 165.000
auf in neue Heimaten, nach USA und Kanada vor allem. Die übrigen
integrierten sich meist rasch. "An diesem Punkt endete die eine
Geschichte. Eine andere begann. Wir waren Wiener geworden", schrieb der
Schriftsteller György Sebestýen. Die Ungarnkrise wird exemplarisch abgehandelt.
Zeitungsausschnitte zeigen, wie differenziert das Ereignis aufgenommen
wurde: Von "Freiheitskampf" bis "Konterrevolution" reichte die Bezeichnung
in den Schlagzeilen. Filmausschnitte aus Wochenschauen verdeutlichen die
Dramatik des Bürgerkrieges. Den Ton zu diesen Dokumenten und auch neue
Interviews mit Zeitzeugen, wie etwa mit dem exzellenten Journalisten Paul
Lendvai, können die Besucher über schwere, schwarze Telefone aus den
Fünfzigerjahren hören. Das ergibt Authentizität. Viele kleine
Überraschungen sind eingebaut. Man sieht den jugendlichen Journalisten
Thaddäus Podgorski, den späteren ORF-Chef, beim Einsatz als rasenden
Reporter in Budapest, eine Reportage von Fritz Molden in der seriösen,
konservativen "Wochenpresse" fasst die Eindrücke der Tage der Revolution
kämpferisch zusammen. Passend dazu die Bilder von Regimegegnern, die in
Zivilkleidung, aber bewaffnet, verwegen in die Kamera blicken. Der interessanteste Teil ist aber jener, der die
schrittweise Integration jener Ungarn zeigt, die hier geblieben sind.
Spielerpässe vom Österreichischen Fußball-Bund mit ungarischen Namen, ein
junger Flüchtling, der sich vor seinem Wunsch-Auto fotografieren ließ,
eine Annonce des Ilona-Stüberls in der Bräuner-Straße, das von Emigranten
übernommen wurde, eine Landkarte von Wien mit "1956er Orten" - kein Bezirk
ohne Ungarnhilfe. Schließlich ein bestickter Polster aus dem Jahr 1965.
Verwandte aus Ungarn haben ihn offenbar als Gastgeschenk für die einstigen
Flüchtlinge mitgebracht, die bei den Tokoschok geblieben sind. Tokoschok?
So haben die Ungarn ihre Gastgeber bezeichnet. So sahen sie die
Österreicher: Das sind die im Futteral, die nichts vom Ernst des Lebens
wissen, die weich gepolstert, ohne Risiko dahinleben dürfen.
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