Salzburger Nachrichten am 15. Juli 2003 - Bereich: kultur
Selbstdarsteller und Bürgerschreck

Retrospektive "Nach Kippenberger" im Museum Moderner Kunst in Wien

Er war ein Anarchist der Kunst und gefiel sich als Bürgerschreck, vor allem aber stand für Martin Kippenberger (1953-1997) seine eigene Biografie im Mittelpunkt: er war perfekter Selbstdarsteller. Das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien versucht in Zusammenarbeit mit dem Van Abbe-Museum in Eindhoven eine Annäherung an die konzeptuelle Gedankenwelt dieses "Anti-Künstlers" und zeigt eine umfassende, sich über zwanzig Jahre erstreckende und rund 150 Arbeiten umfassende Retrospektive. Der Titel "Nach Kippenberger", so die Kuratorin Eva Meyer-Hermann, bezieht sich auf die Heimat des Künstlers, dem Ruhrgebiet, wo man nicht "zu etwas", sondern "nach etwas" geht.

Wien hatte Bedeutung für den Künstler; er hatte hier mehrere Ausstellungen, hielt sich oft in der Stadt auf und starb in Wien. 1991 erregte Kippenberger in Wien Aufsehen mit der nach einem pornografischen Roman "Tiefes Kehlchen" genannten Installation, einer "Kunstgeisterbahn". Über steile Treppen erreichte man einen im Zusammenhang mit Arbeiten an der U 3 angelegten 200 m langen, unwirtlich und klaustrophobisch wirkenden, mit einer Röhre ausgekleideten Tunnel, an dessen Seiten in mit Stahlblech verkleideten Einbauten Arbeiten des Künstlers ausgestellt waren. Die Installation stieß auf heftige mediale Kritik, gilt aber heute als eine seiner für ihn signifikantesten Arbeiten. Einige Sequenzen dieser prozesshaft entstandenen Installation wurden für die Ausstellung nachgestellt und bilden einen Blickfang der Schau. Sie wurde von den Kuratoren auf den Ebenen 6 und 7 des MUMOK konzeptuell, im Sinne eines "Gesamtkunstwerkes" angelegt, das Installationen, Bilder, Skulpturen, Objekte, Plakate und Zeichnungen vereint.

Neben Installationen stehen Ölbilder im Mittelpunkt der Schau. Vor allem in den Porträts demonstrieren sie, worum es Kippenberger geht: um die Reflexion seiner selbst, um seine Biografie. Stilistisch knüpft der Künstler zwar an die "wilde Malerei" der achtziger Jahre an, seine Arbeiten enthalten jedoch zahlreiche graphische und comicartige Elemente, Schrift und verschlüsselte Zeichen werden eingebunden. Darunter befindet sich auch die Serie "Lieber Maler, male mir", nach der die Kunsthalle Wien eine Ausstellung benannt hatte.

GÜNTHER FROHMANN

Bis 31. August 2003, Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr.