Salzburger Nachrichten am 16. November 2002 - Bereich: kultur
Braunbär und Schiele

Zum Kunsthaus in Bregenz und dem Essl-Museum in Klosterneuburg kommt nun das Niederösterreichische Landesmuseum von Architekt Hans Hollein.

WERNER THUSWALDNER

Die Herausforderung für den Architekten Hans Hollein war höchst ungewöhnlich. Er hatte die Aufgabe, im Kulturbezirk von St. Pölten ein Haus zu planen, in dem nicht nur die Kunstsammlung des Landes, sondern auch die naturkundlichen Sammlungen und die Dokumentation der Landeskunde unterkommen sollten. Im Vergleich mit Salzburg hieße das, die Residenzgalerie, das Rupertinum und das Haus der Natur unter einem Dach zusammenzufassen.

Hollein löste den Fall mit gro-ßem Engagement. Er verstand sehr genau, dass die naturkundliche Sammlung, entsprechend aufbereitet, als ein Publikumsmagnet wirken wird und dass man von da aus die Besucher in den Kunstbereich locken muss. In der architektonischen Umsetzung sieht das so aus, dass man nach dem großzügigen Foyerbereich eine riesige zentrale Halle betritt, die auf der einen Seite von einem halbtonnenförmigen Glasdach überwölbt wird.

In dieser Halle spielt sich auf schrägen Rampen und Plattformen, die durch Stege und Stufen miteinander verbunden sind und in den Raum hineinragen, das Naturgeschehen ab.

Ein Hauptthema ist das Wasser. Darauf wird der Besucher übrigens schon vor dem Eingang hingewiesen, denn über dem Eingang befindet sich ein signifikantes, wellenförmiges Element. Ganz oben im Zentralraum ist in einem Felsbrocken ein Stück Gletscher eingebettet, und von hier bewegt sich ein Gewässer bis nach ganz unten. Mehrere attraktiv bestückte Aquarien und Biotope geben Einblick in die Vielfalt der heimischen Wasser-Tierwelt. Die anderen Tierarten müssen sich freilich damit abfinden, in gut präparierter Form prä-sentiert zu werden. Besonderen Eindruck macht der aufrecht stehende Braunbär, der seine Arme in die Höhe reckt.

Das Ausstellungsprogramm ist so konzipiert, dass sich dem Besucher auf bestimmten Wegführungen ganz bestimmte Themen erschließen. An die Stelle einer sturen Abfolge von Sälen tritt eine vielfältig vernetzte Gesamtschau. Hollein bediente sich bei der Inszenierung dieses Bereichs eines flie-ßenden, "organischen" Formenkanons und setzt davon die streng kubischen Räume für die Kunst ab. In bewundernswerter Weise ist es ihm gelungen, zwischen dem Natur- und dem Kunstbereich Sichtverbindungen herzustellen.

Kunst zwischen Heimat und Weltoffenheit

Die Kunstsammlung umfasst hochwertige Beispiele aus Plastik und Malerei vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Hier steht Nieder-österreich anderen Landessammlungen gewiss nicht nach. Starkes Gewicht hat die Kunst nach 1945. Sie wird in der "Shedhalle" gezeigt, die ebenfalls von Hollein geplant worden ist. Ein Glanzstück ist Schieles Gemälde "Zerfallende Mühle".

Bei den Ankäufen von Kunst nach 1945 - das zeigt die Schau in der Shedhalle - ist man nicht provinziell vorgegangen und hat nicht auf die niederösterreichische Herkunft der Künstler gepocht. Es kann, wie Direktor Carl Aigner sagt, nur ein Bruchteil des Bestands gezeigt werden. Aus dem Fundus will man immer wieder neue Zusammenstellungen präsentieren. Die derzeitige Schau heißt "Welttheater - Heimat".

Ein weiterer Teil der Eröffnungsschau heißt "Fluchtpunkt Körper - Lust und Leiden am Selbst". Gerade österreichische Künstler hatten und haben zu diesem Thema eine Menge zu sagen. Darüber hinaus - und das ist ein verbindendes Element zwischen Natur und Kunst - gibt es eine spezielle Abteilung, die zeigt, wie die Künstler mit dem Thema Wasser umgehen.