Sammlung Essl/Klosterneuburg: Diverse Künstler zeigen
"(un)gemalt"
Annäherung an den Anderen: Sadismus oder Ehrenbezeigung?
Von Claudia Aigner
Was passiert, wenn man Künstler dazu auffordert, sich Bilder
aus einer Kunstsammlung auszusuchen und etwas damit anzustellen? Sie
nähern sich ihren Auserwählten mit dem Pinsel (aber haben dabei, zumindest
die Gruppe Anonymous, völlig ehrliche Fälschungsabsichten und landen wie
echte Kavaliere auf einer frischen Leinwand daneben) oder kommen ihnen mit
Klebebändern nahe. Oder - ganz subversiv - mit klobigen Bilderrahmen. (Die
slowenische Gruppe IRWIN hat mit ihren schweren, sperrigen Rahmen zum
Beispiel ein paar echten Frank Stellas an den Rändern die Aura
abgeschnitten.) Zdenka Badovinac (Direktorin der Moderna Galerija in
Ljubljana) hat Künstler eingeladen, sich in der Sammlung Essl nach Lust
und Laune zu bedienen. Und auf welche Weise alle die Einladung angenommen
haben, ist noch bis 27. Oktober ebendort zu sehen. Titel: "(un)gemalt."
Spannende künstlerische Dialoge, die Fragen aufwerfen wie: "Um wie viel
falscher ist die Fälschung als das Original?", "Der Bilderrahmen -
Sadismus oder Ehrenbezeigung?" oder: "Pinsel, was ist das?" Arnulf
Rainer ist nicht unter den "Tätern". Das Risiko wäre ja wahrscheinlich
doch zu groß gewesen, dass der Übermalungsreflex in seinem Handgelenk
plötzlich losgezuckt wäre und sein Pinsel nicht wenigstens den
Respektabstand wie bei einem korrekten Handkuss eingehalten hätte. Aber
Rainer ist unter den (in diesem Fall muss man sagen: glücklichen)
"Opfern". Olaf Nicolai aus Berlin hat einige Exemplare von seinem
"Zeichenbuch für Kinder nach Motiven von Arnulf Rainer" auf einem Tisch
ausgebreitet. Zum Ausmalen. Und stellt auch gleich die Buntstifte bereit.
Die Motive: sehr geometrische, eigentlich ziemlich fade
Proportionsordnungen, ungefähr aus dem Jahre 6 v. R. (vor Rainer, also vor
den Übermalungen). Die Kinder können das langweilige Zeug entweder sauber
ausmalen oder die Zeichnungen aus dem Scheintod holen, da wir uns ja
bereits etwa im Jahre 40 n. R. befinden. Den originalen Rainer-Blättern an
den Wänden wird dabei selbstverständlich nicht einmal ein Eselsohr
hineingemacht. Der Russe Valery Koshlyakov ist ein regelrechter
Pappendeckelvirtuose. Erstaunlich, wie bravourös er mit Pappkarton und
Klebeband umgeht und aus vor Ort gefundenen Kandidaten für den
Altpapiercontainer (aus Schachteln) opulente "Architekturgemälde" bastelt.
Unmittelbar auf den Wänden. Nennen wir es "Slum-Graffiti" oder "Graffiti
nach Sandler-Art" (ist doch Karton ein beliebtes Baumaterial bei den
Obdachlosen, die sich dort mehr oder weniger wohnlich hineinverpacken).
Koshlyakov hat nun für Jim Dines Kopie der berühmten Venus von Milo
einen antiken Tempel aus Verpackungsmaterial gebaut (quasi einen
Recyclingtempel), also für dieses beliebte Secondhand-Motiv
(passenderweise), das sozusagen Treibgut aus der Antike ist, das schon von
so vielen Künstlern aus der Kunstgeschichte gefischt worden ist. Noch dazu
sieht Dines grob behauene Holzvenus ja selber fast wie Treibholz aus, das
an einem Mittelmeerstrand angeschwemmt worden ist. (Laut den mysteriösen,
schäumenden Umständen ihrer Geburt ist die Venus ja tatsächlich eine
Meeresfrucht.) Von Johanna Kandl: ein glattes, vermeintlich
unpersönliches Pop-Art-Bild. Eine Ikone des patscherten Hinplumpsens und
Strauchelns im Leben, nämlich das legendäre Logo vom "Fritzelack", wo ein
Lehrbua einen Bauchfleck macht und Farbe verschüttet. Insgeheim ein
geschickt autobiografisch aufgeladenes Bild. Die Kandl porträtiert damit
quasi das ökonomische Schicksal der Kandls. Das kleine elterliche
Farbengeschäft (auf dem Rollbalken prangte übrigens das "Fritzelack"-Logo)
ist wegen der großen Baumärkte eingegangen. Kandl: "Mein Verhältnis zum
Baumarktbesitzer Essl ist also nicht ungetrübt." Trotzdem hat sie es sich
verkniffen, in ihr Bild den Baumaxl hineinzupinseln, wie er mit
Unschuldsmiene und den Händen in den Hosentaschen (und der Sprechblase
"Hoppala!") dem Lackfritzl ein Haxl stellt. Statt primitiver Farbdosen
verkauft Johanna Kandl jetzt eben kultivierte Gemälde, was ein bisschen so
ist, wie wenn eine Standlerin am Naschmarkt statt nackerter Hühnereier
bunte Ostereier feilbietet. Und jetzt zählen die Essls zu ihren Kunden.
(Die Ironie der freien Marktwirtschaft.) Auf verschlungenen Wegen ist der
Fritze also nicht umsonst auf die Schnauze gefallen.
Erschienen am: 26.08.2002 |
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