„Unter dem Schutzmantel der Kunst“
Kulturpolitik. Der Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl, erläutert im SN-Gespräch seine Vorwürfe gegen den Direktor der Kunsthalle Wien, Gerald Matt.
Hedwig Kainberger Die Vorwoche endete schlecht für die Kunsthalle Wien: Alle Fraktionen im Wiener Gemeinderat beschlossen den Vorschlag der ÖVP, das Kontrollamt mit einer Prüfung zu beauftragen. Und Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, brachte Strafanzeige gegen Direktor Gerald Matt ein. Die SN baten Wolfgang Zinggl deswegen um ein Gespräch.Ihre Anschuldigungen sind heftig: Untreue, Förderungsmissbrauch und verbotene Intervention. Warum? Zinggl: Viele Menschen in der Kunst mühen sich ab, um einen Auftrag oder eine Ausstellung zu bekommen, und wissen oft nicht, wie sie ihr Leben fristen sollen.
Zugleich ist es wie in der schlimmsten Zeit des Hochadels möglich, dass Museumsdirektoren unter dem Schutzmantel der Kunst ihren teuren Obsessionen nachgehen, indem sie etwa unter dem Titel „Dienstreisen“ Ausflüge um die Welt machen und in teuren Luxushotels absteigen. Gerald Matt ist offenbar einer von ihnen.
Woher wissen Sie das?
Zinggl: Bei uns mehren sich die Hinweise, dass seine Dienstreisen noch häufiger und kostspieliger sind als die von Peter Noever es waren (der ehemalige, fristlos entlassene Direktor des Museums für Angewandte Kunst, Anm.).
Politik und Gesellschaft täten gut daran, diesem Selbstbedienungsladen einen Riegel vorzuschieben.
Wie kommen Sie zur Behauptung: „Selbstbedienungsladen“?
Zinggl: Seit Jahren ist zu beobachten, wie Gerald Matt mit seiner Entourage im Vereinsvorstand die Kunsthalle wie eine Festung abschottet. Sie wird von der öffentlichen Hand finanziert, aber von ihm ausgenommen wie eine Weihnachtsgans.
In den letzten Wochen wurden mir Belege zugespielt, die beweisen, dass andere für Gerald Matt arbeiten, während er im Scheinwerferlicht prahlt.
Das ist doch für einen Museumsdirektor durchaus erlaubt.
Zinggl: Nicht für private Projekte. Nehmen Sie das Beispiel von Ausstellung und Buch „Österreichs Kunst der 60er Jahre“. Das Parlament hat Gerald Matt persönlich damit beauftragt und bezahlt. Doch offensichtlich haben Mitarbeiter der Kunsthalle Wien einen Großteil der Arbeit gemacht.
Oder die Ausstellung in einer Galerie samt Buch „Voyage autour de ma chambre“ über Matts Wohnung und Kunstsammlung. Auch das hat eine Mitarbeiterin der Kunsthalle gemacht: zur Vermehrung von Gerald Matts Ruhm. Er könnte sich längst die Frage stellen: Was war meine Leistung?
Aber der Vorstand des Kunsthalle-Vereins hat bestätigt, dem Direktor seien per Dienstvertrag „wissenschaftliche, kuratorische und publizistische“ Nebentätigkeiten erlaubt, dafür dürften „die betrieblichen Ressourcen im sonst üblichen Ausmaß“ eingesetzt werden.
Zinggl: Ich bezweifle, dass die Erlaubnis, betriebliche Ressourcen derart zu nutzen, im Dienstvertrag steht. Wenn es trotzdem stimmt, ist es bedenklich, dass die Öffentlichkeit private Eskapaden finanziert.
Gerald Matt hat versichert, für das Projekt „Österreichs Kunst der 60er Jahre“ Werkverträge abgeschlossen zu haben.
Zinggl: Die Arbeiten wurden in der Kernarbeitszeit der Kunsthalle geleistet. Wer kann gleichzeitig angestellt sein und in der Dienstzeit für den Chef Werkverträge abarbeiten? Zudem habe ich gehört, dass die Werkverträge erst nach den Medienberichten über das Parlamentsbuch abgeschlossen wurden. Seltsam ist auch, dass Matts Sekretärin in diesen Tagen plötzlich zur Assistentin avanciert ist. Sie hat ihm die Arbeit an der Ausstellung „Voyage“ gemacht.
Worin bestehen Ihre Vorwürfe von Untreue und Förderungsmissbrauch? Zinggl: Die öffentliche Hand hat Gerald Matt eine Kunsthalle mit Geld, Personal und Infrastruktur nicht für den eigenen Bedarf anvertraut. Wenn er sie für sich verwendet, ist das eine Veruntreuung. Und weil es sich um Fördergeld handelt, ist es auch Förderungsmissbrauch.
Und warum werfen Sie ihm verbotene Intervention vor?
Zinggl: Wegen der versuchten Vermittlung von Staatsbürgerschaften. Gerald Matt hat die Behörden getäuscht und vorgegeben, er setze sich für bedeutende Persönlichkeiten ein, die das österreichische Kulturleben entscheidend bereichern.
In Wirklichkeit handelt es sich um Geldmagnaten, die mit Kunst so viel zu tun haben wie Meerschweinchen. Sie wollten einfach die Staatsbürgerschaft und waren bereit, dafür zu zahlen.
Aber es wurde keine einzige Staatsbürgerschaften verliehen. Zinggl: Der Versuch ist strafbar, unabhängig davon, ob er gelingt.
Welche Strafe steht auf diesen Delikt?
Zinggl: Ich lese Ihnen den Paragraf 308 im Strafgesetzbuch vor: „Wer wissentlich unmittelbar oder mittelbar darauf Einfluss nimmt, dass ein Amtsträger oder ein Schiedsrichter eine in seinen Aufgabenbereich fallende Dienstverrichtung pflichtwidrig vornehme oder unterlasse und für diese Einflussnahme für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.“ Und: „Wer die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“
Droht Herrn Matt eine Gefängnisstrafe? Zinggl: Ich bin weder Staatsanwalt noch Richter. Uwe Scheuch muss sich demnächst aus ähnlichem Grund vor Gericht verantworten. (Der FPK-Chef hat einem potenziellen russischen Investor die Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt. Anm.)
Worin liegt das Problem, wenn ein Geldgeber eines Museums Staatsbürger wird? Zinggl: Wäre das möglich, stünde in Paragraf zehn Staatsbürgerschaftsgesetz: Staatsbürger kann werden, wer dafür bezahlt. Na, das wäre eine seltsame Gesellschaft, von der sich staatliche Rechte erkaufen ließen! Dann könnte mit solchen Dokumenten gehandelt werden wie mit Wertpapieren.
Der Vorstand des Trägervereins der Kunsthalle hat nach ersten Vorwürfen sofort eine Wirtschaftsprüfungskanzlei mit einer Sonderprüfung zurück bis zum Jahr 2007 beauftragt. Ist das richtig und ausreichend?
Zinggl: Das Ergebnis soll Mitte Mai vorliegen. Mich wundert, dass in wenigen Wochen die Gebarung von drei Jahren überprüft werden kann. Rechnungshof oder Kontrollamt brauchen dafür ein halbes Jahr.
Dessen ungeachtet bezweifle ich nicht, dass in der Kunsthalle die Bücher richtig geführt werden. Bei den Vorwürfen geht es um ein Verhalten Gerald Matts, von dem nur wenig in der Buchhaltung augenfällig werden dürfte: Einsatz von Mitarbeitern für private Projekte, versuchte Staatsbürgerschaftsvermittlung an Geldgeber et cetera.
Was mich besorgt: Der Vereinsvorstand deckt und unterstützt das alles. Das darf doch nicht wahr sein! Und der Stadtrat als Subventionsgeber beteuert, er könne nichts tun, schließlich sei die Kunsthalle ein privater Verein.
Jeder kleinen Kulturinitiative würde bei solchem Verhalten die Subvention gestrichen. Da wird mit zweierlei Maß gemessen.
Was sollte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny denn tun?
Zinggl: Warum lässt er seit vielen Jahren diese Konstruktion zu? Er hätte längst den Vorstand ersuchen können, die Statuten so zu ändern, dass sie wie bei der Viennale eine laufende Kontrolle ermöglichen. Er hätte auch gegen einen Dienstvertrag protestieren können, der zulässt, dass betriebliche Ressourcen der hoch subventionierten Kunsthalle für private Nebentätigkeiten des Direktors genutzt werden dürfen.
Was ist los mit den Wiener Museumsdirektoren? Erst wurde Peter Noever nach Muttergeburtstagen entlassen. Nun hat Gerald Matt Probleme wegen Staatsbürgerschaftsvermittlung. Gibt es da ein Strukturproblem?
Zinggl: Die Verantwortung liegt zuerst bei den Genannten.
Allerdings leben wir in einer Zeit, in der die Selbstpräsentation von Menschen in öffentlichen Ämtern bewundert und medial glamourös unterstützt wird. Ich fürchte, das gibt ihnen ein Gefühl, dass sie auf dem richtigen Weg sind.
Zudem sind einige Direktoren zu lang in ihren Ämtern. Ein Museumsdirektor muss das, was er sich vornimmt, in zehn, zwölf Jahren gemacht haben. Danach wachsen die Gefahr einer trügerischen Selbstherrlichkeit und der Glaube, dass die Institution, die ihnen anvertraut ist, ihnen gehört.