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"Ich bin ja finanziell ein Würstchen"
Daniel Spoerri, eine Kunst-Ikone des 20. Jahrhunderts, über seine Arbeit für "Grazgeflüster", über Marktpreise, Alter, Berlusconi, über den Verfall der Dinge und gestohlenen Schnee.
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Foto © Stadtmuseum
Verlieren angesichts der schaurigen Real-Performance in Japan künstlerische Aktionen nicht an Bedeutung?
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DANIEL SPOERRI: Nein, weil sie an sich nicht so bedeutend sind. Ich hab' mir nie eingebildet, dass Künstler die wichtigsten Menschen der Welt sind.
Was sind sie dann?
SPOERRI: Seismografen.
Welches der eingebrachten Objekte hat Sie am meisten berührt?
SPOERRI: Aus persönlicher Betroffenheit - ich bin Halbjude, mein Vater starb bei einem Pogrom - eine eigene Installation. Es geht dabei um Dokumente der sogenannten rassenbiologischen Untersuchungen, deren Ergebnis darüber entschied, ob man in ein Konzentrationslager kam. Für Graz konnte ich leider nur Kopien der Listen beschaffen. Originaldokumente einer Vierteljüdin, die abgelehnt wurde, habe ich auf einem Flohmarkt in Wien gefunden.
Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes aufgelesenes Stück, das Sie künstlerisch anwandten?
SPOERRI: Ja, das war als Kind in Rumänien, da habe ich im Winter Schnee vergraben, den ich dann im Sommer zeigen wollte. Ich war dann schrecklich enttäuscht, dass ihn offenbar jemand gestohlen hatte.
Alles Materielle ist permanentem Verfall ausgesetzt. Bedauern Sie das als passionierter Sammler?
SPOERRI: Aber nein! Es wird doch dauernd so viel neu produziert, auch viel Kunst, wenn da nichts verginge, würden wir ja in Kunst ersticken.
Besitzen Sie viele Ihrer eigenen Werke?
SPOERRI: Eigentlich nur die neueren, von den früheren überhaupt nichts.
Der Kunstmarkt scheint eine Dauermesse des Luxus und der Moden geworden zu sein. Fühlen Sie sich noch gut vertreten?
SPOERRI: Ich glaube, zu dieser Art gehöre ich gar nicht, ich habe keinen internationalen Marktwert, gegen einen Gerhard Richter bin ich ja finanziell ein Würstchen.
Was kostet ein mittelformatiger Spoerri denn so?
SPOERRI: Ein früher so 60.000 bis 80.000 Euro, ein jetziger zwischen 20.000 und 30.000, schätze ich.
Hat sich Ihre zweite Heimat Italien unter Berlusconi verändert?
SPOERRI: Ach, der passt ja zu den Italienern, sonst hätten sie ihn ja nicht dreimal gewählt!
Sie sagten jüngst, Ihre neuesten Suchobjekte seien Kümmerlinge aller Art. Warum?
SPOERRI: Weil sie aus der Norm fallen und damit die Norm erst beweisen.
Mögen Sie das Alter?
SPOERRI: Physisch nicht, weil man zum Krüppel wird. Aber im Kopf fühle ich mich noch ziemlich fit.
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Ausstellung "Grazgeflüster"
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Foto
![Foto © Stadtmuseum](00092611-Dateien/Unbenannt-13.jpg)
Bild vergrößernHistorische Uhr, Pop-Art-Poster mit Miss Austria/World Eva Rueber-Steier Foto © Stadtmuseum
Zur Person
Daniel Spoerri geb. 27. März 1930 in Galati, Rumänien.
Begann als Tänzer in Bern.
Befreundet mit Jean Tinguely, Yves Klein u. a.
Erfinder von Eat Art, wurde mit üppig bestückten Tableaus berühmt.
Lebt in Italien u. Österreich.
www.danielspoerri.org
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