Salzburger Nachrichten am 18. Juli 2006 - Bereich: Kultur
Der Standpunkt: Gescheitert an Respektlosigkeit HEDWIG KAINBERGER
Was steht am Ende des Festivals "Kontracom", mit dem Salzburg im
Mozartjahr ein überregional wahrnehmbares Signal für zeitgenössische Kunst
senden wollte? Erfolg oder Scheitern? Die Antwort hat wie eine Bilanz zwei
Seiten: einerseits zum Inhalt, andrerseits zur Wahrnehmung. Die Inhalte von bildender Kunst und Musik waren teils interessant,
teils faszinierend, teils enttäuschend. Da war der Helikopter Paola Pivis,
in dem manche ein hässliches Wrack sahen, andere konnten sich am Auf- und
Abbau nicht satt sehen, wenn das scheinbar leicht fliegende Gerät klotzig
schwer baumelte, wiederum andere liebten es, den gestürzten Himmelskörper
zu betrachten. Da war der "Bauzaun" von Hans Schabus, da waren die
Klanginstallationen Franz Pomassls oder die russischen DJs. Beide Bereiche waren mutig kuratiert und professionell realisiert. Dass
nicht alles Geniestreiche waren, muss bei brandneuen Werken nicht wundern.
Nach allem Abwägen ist das Fazit für diese Seite also: Erfolg. Anders sieht es mit der Wahrnehmung aus. Als im Vorfeld Diskussionen
ausbrachen, wie und warum ein umgedrehter Hubschrauber oder ein Lattenzaun
als "Kunst" gelten könnten, gab es von den Veranstaltern keine lustvolle,
informative Aufklärung, sondern Vertröstung auf die Eröffnung. Zu der
Eröffnungsfeier kamen an die fünfzig Eingeweihte, was nicht nur auf
mangelndes Interesse, sondern auch auf miserable Kommunikation schließen
lässt. In Medien außerhalb Salzburgs wurde von "Kontracom" kaum mehr als
von einem Skandal in einer vermeintlich stumpfsinnigen Stadt berichtet.
Ein Symposium über Kunst im öffentlichen Raum wurde abgehalten, als alle
Emotion - sei es Zorn oder Begeisterung - verraucht war. Zur verpatzten Öffentlichkeitsarbeit kommt ein zweiter Grund: In
unserem öffentlichen Leben haben sich Hektik, Lärm, Event und Trubel so
breit gemacht, dass sie die Kunst erdrücken. Beispiel Stadt Salzburg in
den Vorwochen: Überall provisorische Gerüste, sei es für Fußball,
Volleyball, "Jedermann" oder für Oper im Residenzhof. Kein Wunder, dass da
das Domgerüst nicht auffiel! Ein Hubschrauber kann nicht aufheulen, wenn er zugehüttelt wird. Ein
"Bauzaun" als philosophisch verspielte Begrenzung eines Gartens kann nicht
kreischen, wenn vor ihm Müllcontainer voll Dreck abgestellt werden. Allerdings: Der Schauspieler Peter Simonischek hat mit seinem Protest
vom Wochenende darauf hingewiesen, dass Theater nicht vor Baustellen und
neben Krawall entstehen kann. Dieser Jedermannruf erinnert daran: Kunst braucht, um zu entstehen und
um erfahren zu werden, Stille, Konzentration und Respekt. Am Mangel daran
ist "Kontracom" gescheitert. Aber bleibt dies dem "Jedermann", dem
"Mitridate" und den "Irrfahrten" erspart? |