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20.01.2006 - Kultur&Medien / Kommentare | |||||
Kunstlicht: Das Theater als Museum | |||||
ALMUTH SPIEGLER | |||||
W Das muss den Wiener Aktionisten schmerzen. Und dann legt
der Schlingel den Meister aus Prinzendorf noch dazu als an grauslichem
blutigen Zeug nuckelndes Baby-Face in einen Kinderwagen. Am selben Ort, wo
vor genau zwei Monaten noch Nitsch der Master of Ceremonies sein durfte.
Die beiden Ereignisse zu vergleichen ist interessant:
Denn obwohl Nitschs Burg-Aktion in ihrem großen gesamtheitlichen Anspruch
letztendlich als gescheitert angesehen werden muss, hatte er das Haus
eindeutig besser im Griff als sein mit der Situation doch eigentlich
tiefer vertrauter Kollege aus Deutschland. Nahezu konventionell aber
beschränkt sich Schlingensief, ganz der klassische Theatermann, mit seiner
Materialschlacht auf den Hauptraum, während Nitsch das gesamte Gebäude
infiltrierte, vom Essensangebot des Buffets bis hin zum penetranten Geruch
von Blut und Gedärmen, der einen bis auf die Toiletten verfolgte.
Und im gruftigen Keller in Reykjavik, wo Schlingensief seinen alles verschlingenden "Animatographen" vergangenes Jahr erstmals anwarf, konnte man die Wurzeln dieser Mythenmaschine, wenn schon nicht verstehen, dann wenigstens noch begreifen und hautnah spüren. Umso enttäuschender entpuppt sich im Burgtheater dann die Ankündigung "Alles ist möglich" als Farce - die isländisch inspirierte rotierende Scheibe darf nicht einmal betreten werden! Und trotz der Ankündigung, dass sich alle, die bis zum Schluss ausharren, im Gelände frei bewegen dürfen, geht ohne "Führung" auch nach 21 Uhr nichts. So wird das Theater dann schließlich zum Museum. Nur - Sinn macht das alles dann keinen mehr.
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