Kunst als Grenzgängerei

Der Kunst einen Ort, dem Nachwuchs die Manifesta.
Von Roland Schöny.


Nach Rotterdam und Luxemburg ist nun Ljubljana der Schauplatz der dritten Manifesta, die Mitte Juni eröffnet wurde. Damit ist man nicht nur bewusst über die EU-Grenzen hinausgegangen. Auch das Motto der diesjährigen Manifesta bezieht sich auf Grenzüberschreitungen: "Borderline - Syndrome. Energies Of Defense" heißt es im Untertitel zur diesjährigem Manifesta.

Im Gegensatz zu den renommierten Vorbildern von Kassel oder Venedig ist die Manifesta in Laibach vor allem auf junge bzw. weniger etablierte Kunst spezialisiert. Das dürfte einer der Gründe sein, warum die Eröffnung von internationaler Prominenz wie dem Ausstellungsmacher Harald Szeemann oder documenta-Leiter Okwui Enwezor besucht wurde.

Raum für den Rand

Hauptthema der Schau ist die Auseinandersetzung mit Europa und die Definition von Grenzen und Randlagen - sowohl auf politischer wie auch auf persönlicher Ebene. Migration und die Auseinandersetzung mit der Problematik von Flüchtlingen ist daher ein oftmals wiederkehrendes Motiv.

Ein Beispiel dafür wäre etwa ein Video der Schweizer Künstlerin Ursula Biemann. In einer Folge selbstgespielter Szenen stellt sie Formen des Wahnsinns dar, die im inszenierten Selbstmord enden.

Ganz anders die Fotografien des in Wien lebenden Gregor Zivic, der absurde Räume baut und sich selbst darin in höchst ungewöhnlichen Positionen fotografiert, so als würde er frei schweben. Beide, Ursula Biemann und Gregor Zivic, sind im internationalen Betrieb eher unbekannte Künstler, aber solche zu präsentieren ist eine Vorgabe der Manifesta.

Gregor Zivic / ©Bild: Manifesta
Gregor Zivic / ©Bild: Manifesta

Viel Film

Versucht man die höchst unterschiedlichen Arbeiten von 58 Künstlern zusammenzufassen, so lässt sich sagen: Es gibt einen deutlichen Schwerpunkt an kinoähnlichen Medienarbeiten und zugleich zahlreiche Versuche, Grenzen und Überschreitungen verschiedenster Art darzustellen. Herausragend ein Schwarz-Weiß-Video des in Kärnten geborenen Josef Dabernig. Zwei Männer in einem Buswartehäuschen, die sich gebärden wie Linienrichter beim Fußball, dazu die entsprechenden Geräusche, die jedoch wieder an anderen Orten aufgenommen wurden.

Josef Dabernig / ©Bild: Manifesta
Josef Dabernig / ©Bild: Manifesta

Einen weiteren Schwerpunkt auf der Manifesta in Laibach bilden Arbeiten, in denen es um Migration geht. Z. B. eine Dokumentation von Amit Goren aus Tel Aviv. Hier wird gezeigt, wie ein schwarzer Lehrer Kinder unterrichtet, die illegal in Israel leben. Die Videoarbeit ist zugleich ein Beweis dafür, dass die vier Kuratoren, trotz europäischer Ausrichtung dieser Manifesta, den Versuch unternommen haben, über die Grenzen hinauszublicken und Themen wie Migration nicht bloß auf den Kontinent zu beziehen.

Eklat bei der Eröffnung

Gleich bei der Pressekonferenz kam es zu einem Eklat, als der in Wien lebende Alexander Brener, der sich als Kunstterrorist bezeichnet, die Leinwand des Vortragssaales im sogenannten Cankarjev Dom mit einem Anti-Manifesta-Spruch besprühte. Brener, der bereits im Amsterdamer Stedelijk Museum ein Malevitch-Bild beschädigte, ist auch in Wien für solche Aktionen bekannt. Er wurde abgeführt und kam kurzfristig in Untersuchungshaft.

Was bringt's?

Feierlich wie bei einem großen Staatsakt wurde bei der Eröffnung die Bedeutung dieser dritten Manifesta für Laibach betont. Immerhin wurde ein innerhalb der EU-Grenzen aufgebautes Ausstellungsprojekt in eines jener Länder verlegt, das lange dem so genannten Osten zugeordnet wurde. Davon sprach sowohl der liberaldemokratische slowenische Kulturminister Josef Skolc wie auch der Vorsitzende des Manifesta-Komitees Henry Meric Huges.

Das führt weiter zu der Frage, welche Vorteile die Manifesta, die mit umgerechnet rund 12 Millionen Schilling produziert wurde, einer boomenden Kulturstadt des ehemaligen Ostens wie Ljubljana bringen könnte. Hier gehen die Meinungen deutlich auseinander. Die Philosophin Marina Grzinic findet, durch die Manifesta würde mit finanzieller Hilfe von außen lediglich das Veranstaltungsmonopol der größten Kulturinstitution von Ljubljana - dem so genannten Cankarev Dom gestärkt werden. Neue Strukturen für die Kunst allerdings könne die Manifesta in Ljubljana nicht schaffen, sagt Marina Grzinic.

Die Künstlerin Maritica Potrc dagegen meint, durch die Manifesta würde ein Dialog zwischen lokaler Szene und Besuchern von außerhalb zu Stande kommen. Gleich zu Beginn also löste die Manifesta in Ljubljana kulturpolitische Diskussionen aus. Besucht werden kann diese Kunstbiennale noch bis 24. September.

Link: Manifesta

Radio …sterreich 1