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Kunstberichte
Ula Schneider spricht über das von ihr initiierte Festival "Soho in Ottakring", das von 8. bis 22. Mai stattfindet

"Ausgrenzungen auch in der Kunst"

Mobiler Sichtungsraum mit Filmprogramm zu sozialpolitischen Themen. Foto: Emanuel Danesch & David Rych

Mobiler Sichtungsraum mit Filmprogramm zu sozialpolitischen Themen. Foto: Emanuel Danesch & David Rych

Von Selina Nowak

Aufzählung Rassismus ist diesmal das Thema das Festivals am Brunnenmarkt.
Aufzählung "Migranten genauso vorurteilsbeladen"

Wien. Es begann als kleines Kunstprojekt. Die Idee war, die vielen leer stehenden Lokale im Brunnenviertel zu nutzen. Mittlerweile ist das alljährliche Kultur-Festival "Soho in Ottakring" eine Institution. Am 8. Mai geht es wieder los: Mehr als zwei Wochen lang werden Veranstaltungen, Ausstellungen, Workshops und Konzerte geboten, dieses Jahr unter dem Titel "Kick The Habit – Pfeif drauf! Ventil Rassismus".

Ula Schneider ist Erfinderin und Leiterin des Festivals. Sie ist in Washington D.C. aufgewachsen und hat in Wien Kunstgeschichte studiert.

"Wiener Zeitung": Warum haben Sie gerade jetzt das Thema Rassismus gewählt?

Ula Schneider: Die Überlegung war, es im Hinblick auf die Wiener Wahlen im Oktober aufzugreifen, obwohl es ein eher unangenehmes Thema ist, das sehr negativ besetzt ist und spaltet. Aber unser Anliegen ist auch, die Konflikte, die sich auftun, anzusprechen und vielleicht auch zu provozieren. Lustigerweise hat heuer die FPÖ zum ersten Mal gegen uns öffentlich Einspruch erhoben. Wir sind jetzt schon im zwölften Jahr. Ich versteh nicht, dass sie so lange gebraucht haben (lacht) .

Wie schätzen Sie die allgemeine Stimmung in Österreich ein?

In den Medien werden oft Stereotypen reproduziert. Der FPÖ-Jargon wird aufgegriffen. Das trägt dazu bei, das Klima zu vergiften. Wir wollen positive Bilder entwickeln, aufrütteln und zeigen, dass es Leute gibt, die anders denken, die rassistischen Tendenzen nicht akzeptieren. Unser Anliegen ist, dass sich mehr Leute trauen, ihren Mund aufzutun und andere Perspektiven zu entwickeln. Man kann die Dinge auch nicht immer so schwarzweiß sehen. Es ist dieses Bild vom armen Migranten, von dem man wegkommen muss. Es gibt ja viele, die sehr wohlhabend sind. Migranten sind außerdem genauso vorurteilsbeladen – auch gegenüber anderen Migranten. Ein Projekt von uns geht auch auf Rassismus gegenüber älteren Menschen ein.

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Ula Schneider. Foto: Zwickl

Wie erreichen Sie, dass sich nicht nur diejenigen angesprochen fühlen, die eh schon überzeugt sind?

Das ist im Kunstbereich generell eine schwierige Frage. Deshalb haben wir Projekte, die auch ein Zufallspublikum erreichen, wie die antirassistische Boulevardzeitung, die bald gratis in den U-Bahnen verteilt wird. Generell ist wichtig, dass man auch etwas visualisiert und nicht nur die intellektuelle Ebene wählt. Aber wir wollen niemanden zwangsbeglücken. Uns ist klar, dass man mit Kunst nur bestimmte Personen erreichen kann. Wir sind nicht auf die Masse ausgerichtet. Beim Eröffnungsabend ist der Brunnenmarkt bis Mitternacht geöffnet. Das machen die "Standler" gern, weil sie dran verdienen. So erreicht man auch Leute.

Gibt es bei der Auswahl der Projekte eine Migranten-Quote?

Wir achten drauf. Ich hab viele Freunde mit Migrationshintergrund, die sagen, Soho sei in Wien das einzige Projekt, wo sie miteinbezogen werden, wenn sie künstlerisch arbeiten. Auch im Kunstbereich gibt es Ausgrenzungen. Da herrscht teils eine Ellbogenmentalität, das ist nicht ohne.

Hilft am Kunstsektor nicht der "Exotenfaktor"?

Oft sind die Künstler dann in so einer Nische drinnen und müssen sich immer mit Migrationsthemen beschäftigen.

Was hat sich in den letzten Jahren im Brunnenviertel verändert?

Zum einen das Image – viele Künstler und junge Architekten sind ins Viertel gezogen. Parallel dazu hat die Stadt ziemlich viel investiert. Der Brunnenmarkt ist erneuert worden, die Gegend ist verkehrsberuhigt, viele Häuser werden renoviert. Das war notwendig, nachdem jahrelang gar nichts passiert ist. Soho Ottakring hat auch dazu beigetragen.

Es findet aber auch eine gewisse Yuppisierung statt. . .

In Wien gehen durch die Mietpreisbindung die Mieten ja nicht schlagartig rauf. Es gibt hier ein paar Neubauten, aber die Gegend hat sich nicht total verändert.

Aber der Titel des Festivals ist trotzdem "Soho in Ottakring".

Als Soho entstand, wollten wir einen plakativen Titel finden. Damals war mir nicht bewusst, dass das eigentlich das Phänomen der Gentrifizierung impliziert, aber inzwischen ist es eine Marke. Zum anderen ist es auch nicht schlecht, dass da ein gewisses Bewusstsein über Entwicklungen vorhanden bleibt.

Wie ist eigentlich das Feedback der Anwohner auf das Festival?

Unterschiedlich. Manche regen sich auf über den Lärm, meistens alteingesessene Österreicher. Manchmal wird das auch als Gelegenheit verwendet, um sich einmal aufregen zu können. Manche stört es zum Beispiel, dass hier so viele Ausländer leben und dass sie sich verdrängt fühlen.

Was passiert auf der angrenzenden "Balkanmeile" Ottakringerstraße?

Es gibt lustigerweise eine Trennung: Im Brunnenviertel sind mehr türkische Lokale, auf der Ottakringerstraße mehr die Leute aus Ex-Jugoslawien. Im Festivalprogramm gibt es Führungen durch die Balkanmeile, um die Aufmerksamkeit auf die Potenziale hier zu lenken. Und dass man sich auch in die Nachtlokale

reintraut. Viele haben Livemusik und sind ziemlich groß. Man vermutet es gar nicht, wenn man vorbei geht.

Bei "Soho in Ottakring" stehen Ausstellungen, Workshops, Film-, Theater- und Kinderprojekte, Diskussions- und Musikveranstaltungen auf dem Programm. http://www.sohoinottakring.at

Printausgabe vom Freitag, 30. April 2010
Online seit: Donnerstag, 29. April 2010 18:11:00

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