Stilistische Vielfalt als künstlerisches Prinzip: Landschaft, Geschwindigkeit und Farbkraft wechseln sich in den Gemälden des teuersten deutschen Gegenwartskünstlers Gerhard Richter ohne Pause ab. Bild: Albertina
„Ich verfolge keine Absichten, kein System, keine Richtung, ich habe kein Programm, keinen Stil, kein Anliegen“, sagt der am 9. 2. 1932 in Dresden geborene „teuerste“ Gegenwartskünstler: „Ich glaube an nichts. Die Motive in meinen Bildern haben keine Bedeutung.“ Na, bumm! Solche Aussagen muss man erst einmal kapieren angesichts der Gemälde, die die Albertina bei der großen Personale „Gerhard Richter. Retrospektive“ zeigt.
Viel Gegenständliches, oft auf Fotos Basierendes ist darunter. Spiegelt sich in grandios gemalten Landschaftsbildern oder in den trotz aller Stil-Verneinung so Richter-typisch verwischten, unscharfen Szenerien, die immer wieder irritierende Bewegung suggerieren. Flieger, Autos, Architektur.
Das alles soll wirklich keine Motivbedeutung haben? Warum denn dann überhaupt Motive? Eines stimmt mit Sicherheit: Bei Richter wird der Stilbruch zum Prinzip. In der Fachliteratur verweist der Maler diesbezüglich übrigens auf sein „Misstrauen gegen das Festgelegte, gegen die Bindung an eine einmal entwickelte künstlerische Sprache“.
Schlüssige KlammerKein Wunder, dass sich im Lauf der Lebens- und Kunstjahre des documenta-Titans (sechsmal) und vielfach Biennale-Ausgezeichneten ein wahrer Slalom durch stilistische Variationen ergeben hat. Und in der Albertina kann man diesen selbst auferlegten Parcours auch kräftig mitschwingen.
Angesichts der immensen Sinnlichkeit aller Arbeiten – egal, ob konkret oder abstrakt – fällt es nicht schwer, sich aus Richters kunsttheoretischem Ansatz zu lösen und sich dem Staunen hinzugeben.
Dem Staunen über das frappante Tempo, das ein in verwischten Grautönen gehaltenes Bild wie etwa „Zwei Fiat“ aus dem Jahr 1964 vermittelt. Dem Staunen über die überwältigende Farbkraft des abstrakten Großformats „Ätna“ aus dem Jahr 1981. Über den frappanten Realismus der „Candle“ (1982) oder die fast süffig-romantische Aussage der Naturbilder aus den letzten Jahren.
Was die Vielfalt zusammenhält, ist eine ebenso akribische wie experimentelle Auseinandersetzung mit Wirklichkeit. Eine schlüssige Klammer für ein Werk, das wie bunte Pfefferkörner zwar unterschiedliche Geschmäcker anbietet, aber grundsätzlich schärft! Den Blick ebenso wie das Denken..