Salzburger Nachrichten am 23. Juni 2003 - Bereich: kultur
Erfrischender Kunst-Schlaf

Über ganz Venedig verteilt liegt ein derartig dichtes Netz an Orten der Präsentation von Kunst wie nie zuvor. "Extra 50" zum runden Geburtstag.

ELISABETH RATH

Die Biennale präsentiert anlässlich ihres 50. Geburtstags unter dem Motto "Extra 50" außerhalb der Giardini weitere 19 Ausstellungsprojekte, die in Kooperation mit privaten Sponsoren oder Museen entstanden sind.

Im Palazzo Zenobio ist eines dieser Projekte zu sehen, das von einer Wodkamarke gesponsert wird, inhaltlich und formal bestens gemacht ist und Arbeiten international bedeutender Künstler enthält: eindrücklich Hans Holleins fünf Meter hohe Gondelinstallation in der als Markenprodukt bestens erkennbaren Flasche, die beim Spinnenobjekt von Louise Bourgeois auch als Originalobjekt auftaucht. "Wird Kunstsponsoring von Alkoholproduzenten und Tabakkonzernen missbraucht und lassen sich Künstler derartig leicht für Marketingzwecke instrumentalisieren, so ist das bedenklich", kritisiert der österreichische Medienprofessor Paul Jenewein. "Jeder Künstler gleicht einer egoistischen Blume", meint Ben Vautier, ein Teilnehmer dieser Gruppenausstellung, ganz allgemein. Bei "Extra 50" ist auch die Installation "Where is our place?" von Ilya und Emilia Kabakov in der "Fondatione Querini Stampalia" an der Piazza Santa Maria Formosa zu sehen: glatt in der Ästhetik, inszeniert, effekthascherisch.

Weit authentischer gerät im Palazzo delle Prigioni, unweit des Markusplatzes, die Präsentation des "Taipei Fine Arts Museum of Taiwan", wo die Künstlerin Lee Mingwei zwei Wochen lang ein Kunstschlaf-Projekt durchführt, das auf Teilnahme beruht: Jeweils ein Ausstellungsbesucher kann im Ausstellungsraum bei der Künstlerin übernachten - eine Aktion, kritisch und amüsant zugleich, unter Bezugnahme auf die teuren Hotelzimmer Venedigs.

Auch "Brain Academy Apartement" ist ein Projekt von "Extra 50", organisiert vom Liceo Artistico Statale of Venice/Dorsoduro. Dort - und nicht nur dort - präsentiert sich der polnische Künstler A. Dudek-Dürer mit seiner Schau "Permanent instability II". Dudek-Dü-rer trägt seit 1969 ein Paar patchworkmäßig gearbeitete Lederschuhe und bezeichnet diese als "lebendige Skulptur". Er versteht sich als Personifikation von Albrecht Dürer und begreift sein ganzes Leben als stetes Kunstwerk.

Symbiose von Kunst und privatem Sponsoring

Ein weiterer Teil des Kunstnetzes sind auch jene Projekte, die von Künstlerinnen und Künstlern eigenständig realisiert werden. So zeigt etwa die Salzburgerin Irene Andessner im luxuriösen "Caffe` Florian" am Markusplatz eine Installation, die an einem ebenso zentralen wie legendären Ort stattfindet: "Für ,Donne illustri' habe ich über zwei Jahre recherchiert", erzählt Andessner, von der Hitze unbeeindruckt, in ihrer optimal in den Kaffeehausraum eingepassten Installation, wo auf beleuchteten Glastafeln in bekannter Manier die inszenierten Fotos nach Porträts von zehn Venezianerinnen zu sehen sind: Veronica Franco (1546-1591), die erste Kurtisane Italiens, ist dabei, auch Marietta Robusti (1554-1590), Tintorettos Lieblingstochter und Malerin in dessen Werkstatt, oder Moderata Fonte (1555-1592), die Tochter aus wohlhabendem venezianischen Haus, die sich selber Lesen und Schreiben beibrachte und in ihrer protofeministischen Streitschrift "Il merito delle donne" bis heute weiterlebt. Andessner hat sich nicht nur für das Foto als Moderata Fonte inszeniert. Sie hat sich erstmals als solche auch von der venezianischen Malerin Marinella Biscaro porträ-tieren lassen.