Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Diethard Leopold, Sohn des Sammlers Rudolf Leopold, über Restitutionsfragen und Geldmangel

"Kein neues für ein altes Unrecht"

Müht 
sich in heiklen Besitzfragen um eine "harmonische Situation": 
Diethard Leopold. Foto: Tatjana Sternisa

Müht sich in heiklen Besitzfragen um eine "harmonische Situation": Diethard Leopold. Foto: Tatjana Sternisa

Von Christoph Irrgeher und Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Restitution sei auch für Bundesmuseen nicht immer die beste Lösung.
Aufzählung Neue Impulse für das Leopold Museum.

"Wiener Zeitung": Die Unternehmenspolitik Ihres Hauses wirkte zuletzt etwas inkonsequent. Nach dem Tod von Rudolf Leopold hieß es erst, die Position des museologischen Leiters werde neu ausgeschrieben. Dann hieß es plötzlich: Das geht nicht, weil das Haus zu wenig Geld hat und höhere Subventionen braucht.

Diethard Leopold: Im Juli wusste ich noch nicht so genau über die finanzielle Situation Bescheid, da ich erst Ende Juni in den Vorstand kam. Der Posten wird ausgeschrieben werden; wann, steht aber noch nicht fest.

Ist die Ausschreibung nun an höhere Subventionen gekoppelt?

Schwierige Frage. Ich hoffe, dass wir noch heuer ausschreiben können, damit wir innerhalb des nächsten Jahres einen neuen Leiter bestellen können. Wir denken über eine Kompromisslösung zwischen dem verhältnismäßig niedrigen Salär meines Vaters und üblichen Direktorengehältern nach.

Sie sind seit Juni im Vorstand der Leopold Museum-Privatstiftung – und zuletzt bei einem Restitutionsfall allein vorgeprescht: Das Schiele-Werk "Häuser am Meer" könnte versteigert werden, der Erlös dem Museum und den Erben zugute kommen. Wäre es nicht besser, solche Vorschläge zu akkordieren?

Ich bin sowohl als Vorstandsmitglied wie auch als Sohn des Museumsgründers leidenschaftlich interessiert. Manche Dinge dauern mir persönlich einfach zu lange. Ich denke, mein Vorschlag hat auch einiges Positives für das Museum in Bewegung gesetzt. Aus meiner persönlichen Sicht scheinen mir angesichts von Restitutionsfällen zwei Lösungen fair und gerecht: Die Versteigerung, um den Erlös in einem festzustellenden Verhältnis zu teilen – oder man einigt sich auf einen Wert des betreffenden Kunstwerks und schließt einen Vergleich.

Manche sagen, man müsste einfach restituieren.

Diese Lösung halte ich nicht für fair. Die Stiftung müsste dann ihr Eigentum ohne Entschädigung aufgeben. Man kann nicht ein historisches Unrecht durch ein anderes ausgleichen. Ich habe in dieser Angelegenheit vor allem im Sinn, eine für alle Seiten akzeptable und harmonische Situation zu erreichen. Ehrlich gesagt finde ich auch, dass einige Restitutionen aus den Bundesmuseen das Klima gesellschaftlich nicht spürbar verbessert haben. Wenn man miteinander geredet und gemeinsam einen Kompromiss gefunden hätte, wäre das anders. Aber unter anderem deshalb, weil die Bundesmuseen kein Geld dafür haben, konnten nur selten solche Lösungen gefunden werden. Rein gesetzlich kann der Bund nämlich auch vergleichen. Es wäre zu überlegen, ob man das nicht mit Verkäufen aus den Depots der Museen gegenfinanzieren könnte.

Bei den "Häusern am Meer" war zu lesen, Sie könnten Ihren Teil des Erlöses für die Bezahlung des "Wally"-Vergleichs nutzen. Die Israelitische Kultusgemeinde fand das geschmacklos, aus dem Museum kam bald ein Dementi.

Diese Idee wurde mir untergeschoben. Ich habe nur auf sie reagiert und gesagt, das sei eine Denkmöglichkeit. De facto kann man das vergessen. Wir arbeiten an der Liste der Blätter, die wir für die "Wally" verkaufen wollen.

Jene Schiele-Blätter, die Ihr Vater dafür ausgesucht hat?

Wir werden sehen, ob wir überhaupt alle aus der Liste brauchen werden, wir rechnen mit weniger. Und wir werden Provenienzforscher prüfen lassen, ob diese Blätter historisch unbedenklich sind.

Ministerin Claudia Schmied hat vor zwei Jahren eine unabhängige Provenienzforschung in Ihrem Haus eingerichtet, weil es als Privatmuseum nicht unter das Rückgabegesetz fällt. Die Ergebnisse werden nun wiederum von einem weiteren Gremium beurteilt. Bis heute stehen einige Entscheidungen aus.

Über diesen Beirat bin ich einerseits glücklich, er sieht sich die Dossiers genau an. Es könnte aber – was bisher nicht passiert ist – zu Problemen kommen. Die Dossiers zeichnen das Bild eines historischen Prozesses, und der ist manchmal nicht schwarz oder weiß, sondern eben heller oder dunkler. Das Gremium aber wird gebeten, zu einer Ja- oder Nein-Empfehlung zu kommen.

Wäre ein "Jein" nicht rausgeschmissenes Geld?

Wenn wir über manche Vorgänge nicht mehr die 100-prozentige Wahrheit herausfinden können, was ist dann? Dann sollte man sich mit den Anspruchstellern an einen Tisch setzen und reden.

In zwei Fällen haben Sie zuletzt einen solchen Dialog gesucht. Was passiert nun mit drei Werken von Anton Romako und Egon Schieles "Häuser am Meer"?

Darüber wurde Stillschweigen vereinbart.

Es gibt auch die Sammlung Leopold II: Sie soll als Erbe eine Rolle spielen, sagt Ihre Mutter. Werden Sie und Ihre beiden Geschwister Ihr Erbe zurück ins Museum spielen wie die Kinder Picassos, die ein Museum in Paris bestückt haben?

Für die Frage ist es insofern zu früh, als ich mein Erbe noch nicht genau kenne (lacht).

Ist diese zweite Sammlung so groß wie die erste?

Ungefähr. Wir werden sie sichten und höchstwahrscheinlich eine Kernsammlung strukturieren – wobei es Objekte gibt, von denen ich schon jetzt weiß, dass sie nicht dazugehören müssen. Wir werden gemeinsam beschließen, was wir mit der Sammlung am besten machen. Sicher denken wir da auch an die Öffentlichkeit.

Hat diese Sammlung nicht eine Gewichtung in Richtung deutscher Expressionismus?

Vor allem bei grafischen Arbeiten könnte das der Fall sein.

Das könnte dann auch dem (auf Schiele, Klimt und Kokoschka spezialisierten, Anm.) Museum eine andere Gewichtung geben.

Ich finde, dass sich das Haus weiterentwickeln kann und schon jetzt starke Tendenzen zeigt. Fritz Simak macht 2011 eine große Fotografieausstellung; mein Wunsch wäre es, damit eine Fotografie-

Linie zu beginnen. Die Kooperation mit Kunstsammlern soll weiter verstärkt werden. Viele interessante Projekte sind in Arbeit beziehungsweise in Planung. Natürlich bräuchten wir dafür ausreichende finanzielle Mittel. Das Museum ist notorisch unterdotiert.

Ihr Hauptberuf war bisher die Psychotherapie. Durch Ihre Arbeit für das Museum werden sich andere Tätigkeiten wohl etwas verkleinern.

Das haben sie bereits. Seit dem Tod meines Vaters mache ich de facto fast einen Vollzeit-Job fürs Museum, übrigens ohne Bezahlung. Dabei habe ich das Gefühl, dass ich meine Berufserfahrung auch auf diesem Feld bestens einsetzen kann (lacht).

Diethard Leopold, 1956 in Wien geboren, ist Psychotherapeut. Seit Juni ist der Sohn des heuer verstorbenen Museumsgründers und Sammlers Rudolf Leopold Mitglied im Vorstand der Leopold-Privatstiftung.



Printausgabe vom Samstag, 25. September 2010
Online seit: Freitag, 24. September 2010 16:24:00

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*
H-DMZN07 Bitte geben sie den Sicherheitscode aus dem grünen Feld hier ein. Der Code besteht aus 6 Zeichen.
Bitte beachten Sie dabei die Groß- und Kleinschreibung!


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at