Tollhaus, Kino und Grasscheune
Schaulust. Auf der Biennale in Venedig präsentiert Österreich nicht nur nackte Männer
Martin Behr VENEDIG(SN).Wer den Schaden hat, hat auch den Spott. „Hermann, wo bist du?“, hat Elke Krystufek in englischer Sprache auf die Wände des Österreichpavillons in Venedig gekritzelt. Unweit davon: blutrote Farbe, geschüttet und gespritzt. Eine Anspielung darauf, dass der Aktionist Hermann Nitsch seit Jahrzehnten vergeblich auf eine Einladung in die Lagunenstadt wartet.
Die 39-jährige Elke Krystufek hat sich den traditionsreichen Hoffmann-Pavillon auf die für sie typische Weise angeeignet. Ein sinnlich-humorvolles Malfest mit subversivem Tollhauscharakter fand da in den vergangenen Wochen statt. Die Künstlerin sprengt die Grenzen des Tafelbildes, setzt die Motive ihrer Gemälde oft direkt an den Wänden fort. Motive? Männer. Meist nackte Männer. Mit offenherzig gezeigten Gemächtern. „Tabou/Taboo“ lautet der Titel der aus Wort- und Bilderflut bestehenden Installation, die zahlreiche Fragen, etwa jene nach „weiblicher Schaulust“ stellt.
Elke Krystufek im SN-Gespräch: „Wie blicken Frauen auf Männer? Ist dieser Blick gerechter und fairer als umgekehrt? Das interessiert mich.“
„In der Kunstgeschichte gibt es fast ausschließlich den weiblichen Akt. Nackte heterosexuelle Männer sind immer noch ein Tabu“, sagt Krystufek, die auch gleich das Wort „Austria“ an der Pavillonfassade durch „Tabu“ ausgetauscht hat: Eine Attacke auf das Wesen des venezianischen Kunst-Länderkampfes, auch auf die Identität des Gebäudes.
Von der Hitze des Farbenrausches in die kühle Filmwelt von Dorit Margreiter: In dem von ihr installierten „grey cube“-Kunstkino läuft der poesievolle Schwarzweiß-Stummfilm „Pavillon“ in einer Endlosschleife. Langsam gleitet die Kamera über die Wand des rot-weiß-roten Kunstortes in Venedig, fährt das Fassadenrelief ab um dann gleich leere Sockel oder Menschen, die geschminkt werden, zu zeigen.
Der Ausstellungsort wird so selbst zum Kunstwerk, Margreiter erzählt zudem eine introspektive, bisweilen surreale Geschichte über Geschichten, die der Pavillon erlebt hat oder haben könnte.
In einer Art Gartenhütte neben dem Pavillon laden Fraziska & Lois Weinberger zu einer „Laubreise“. Genauer gesagt: zu einer intensiven Begegnung mit verrotteten Gartenabfällen, die das österreichische Künstlerpaar am Lido von Venedig aufgetrieben hat. Der aufgebaute Biomüll-Kubus soll von den Besuchern umschritten werden. Mit der Zeit wird sich das Objekt senken und sicher auch verstärkt mit der Nase wahrnehmbar sein. „Wir werden immer neue Pflanzen aufschütten und den Zerfall des Haufens hegen und pflegen“, berichtet Franziska Weinberger.
Naturerfahrungen unterschiedlichster Art ermöglicht die Weinberger-Werkschau von den 1970er Jahren bis 2009, die im Pavillon untergebracht ist. Objekte, Zeichnungen, Fotos und Texte zeigen Holzmännchen und Stadtpläne, deren Straßen nach Pflanzen benannt sind, Kreuze, gebildet auf Fliegenfängerstreifen und Wolkenkratzer, die ausschließlich von Vögeln bewohnt werden können.
Export und Eiblmayr zeigen drei höchst subjektive, formal trotz allem konservative Kunstpositionen, die programmatisch für die Vielgestalt der zeitgenössischen Kunstproduktion sind. Jede von ihnen hätte auch die Qualität für eine Einzelpräsentation.