Quer durch Galerien
Schokolade ist trotzdem nicht grün
Von Claudia Aigner "Jemandem ein Veilchen überreichen", das kann
genauso gut eine Beschönigung sein. Und eigentlich meinen: "mit der zur
Faust geballten Hand, pardon: mit dem zur Faust geballten
Blumenaushändigungswerkzeug jemandem eine aufs Aug' geben, bis der nur
noch Sternderln sieht", was insofern ja auch ein "Blumengruß" ist, als
tatsächlich ein Veilchen dabei herauskommt. Und obendrein holt man hier
auch noch für eine Person die Sterne vom Himmel.
Der schönen Wörter gibt es viele. Zu einer
Müllverbrennungsanlage kann man ja schließlich auch Hundertwasserhaus
sagen. Hämatom wiederum ist ein anderes Wort für "blauer Fleck". Trotzdem
ist es unzulässig zu bemerken: "Hans St. kleckst ein paar Hämatome auf die
Leinwand." Weil Textilien nicht zu einem Bluterguss fähig sind. Nicht
einmal, wenn man sie mit dem Pinsel verhaut wie der Staudacher. Und
bezeichnet man die Farbenblinden, die aus Unwissenheit "unmögliche"
Krawatten tragen, neuerdings als "Menschen mit besonderen
Farbbedürfnissen" oder als "chromatisch aufgeschlossen"? Und wenn sie
malen, leiden sie dann einfach an chronischer Farbenfreude? Was es
gibt: Grünes Blut (in röhrenbewohnenden marinen Würmern, den Polychaeten),
eine lila Kuh und einen roten Stier. Die beiden letzten kommen freilich
nur in der Werbung vor. Und weil die zarteste Kuh, seit es die Versuchung
gibt, ihre Milch für das schokobraune Endprodukt zur Verfügung stellt,
heißt das natürlich nicht automatisch, dass auch die picksüße blassgelbe
Flüssigkeit in diesen rot-blauen Getränkedosen ein echtes Stierprodukt
wäre, nur weil ein Stier drauf abgebildet ist, und letztlich vom roten
Bullen abgesondert und dann halt stark gezuckert würde. Was es nicht
gibt: blaue Tomaten, grüne Schokolade, Bäume, die im Herbst cyanfarben
werden, und graue Rosen (obwohl der Züchter solcher Rosen bestimmt den
Nobelpreis bekäme, der auch dem Erfinder vom Neongrau blühen würde). Jörg
Schlick nun (bis 26. Februar in der Galerie König, in der derzeit die
Galerie Bleich-Rossi aus Graz gastiert) schafft es, beim Betrachter
Zweifel an der eigenen Sehtüchtigkeit zu wecken. Und braucht nicht einmal
eine pinke Banane dafür. Galerie Bleich-Rossi/König: Der zweite
Farbschock Schlicks Geheimnis (das auch alle Augenärzte kennen) sind
die "pseudo-isochromatischen Tafeln zur Prüfung des Farbsinns". Nur wer
keine Farbsehstörungen im Rot-Grün- oder Blau-Gelb-Bereich hat, kann die
Zahl inmitten der andersfarbigen Kleckse mühelos lesen. Soweit, so bunt.
Beunruhigend sind aber jene Bilder, die sich mir nicht im Geringsten
offenbarten. Der erste Farbschock, nämlich der Verdacht, ich könnte
farbuntüchtig geworden sein, kam mir ja schon, als ich mein erstes gelbes
Schüttbild von Hermann Nitsch sah. Sollte das nicht eigentlich rot sein?
Und was ist mit dem grünen Nitsch? Hat er da statt Ochsen obige Würmer
ausgequetscht und das vergängliche "Blutgrün" mit haltbarerer grüner
Acrylfarbe überarbeitet? Nein, eher nicht. Aber grün sind die Bilder
dennoch. Und warum kann ich dann trotzdem nicht vor allen
pseudo-isochromatischen Tafeln triumphierend ausrufen: "75!" oder: 89!"?
Können die nichtzufriedenstellenden Tafeln bloß die "Eingeweihten", die
Farbgestörten befriedigen? Die Irritation ist dem Schlick jedenfalls
gelungen. Und die Hinterfragung der wichtigsten Arbeitsgeräte der Maler
und Kunstbetrachter: der Augen. Womöglich werden Kunstkritiker, denen
man Farben ja zumuten kann, in Zukunft einen bunten Sehtest absolvieren
müssen. Dann müssen die nicht mehr bloß einen Andy von einem Roy
unterscheiden können, also eine Suppendose von einer Mickymaus, oder einen
Picasso von einem Picasso (den blauen vom rosaroten usw.), sondern auch
Ketchuprot von Petersiliengrün und am Ende gar Gallengrün von Giftgrün und
Rabenschwarz von Lakritzschwarz. Es ist übrigens ein Vorurteil, dass
Rot-Grün-Blinde halt immun gegen rote Tischtücher in Restaurants wären,
weil sie die appetitanregende Wirkung der Farbe Rot nicht wahrnehmen
können und sich schon deshalb keine zweite Nachspeise bestellen, weil das
Tischtuch für sie sowieso grün ist. (Nebenbei bemerkt: Dass die Farbe Rot
den Puls und die Atemfrequenz erhöht, bedeutet selbstverständlich nicht,
dass im Rotlichtmilieu, das ja kein Institut ist, das Lichttherapie
anbietet, die Arbeitsplätze wackeln oder sich ganz schlaue und sparsame
Kunden hinfort einfach daheim mit einer rotbirnigen Taschenlampe ins
Gesicht leuchten.) Und bei Rot-Grün-Fehlsichtigen ist auch eine rote
Ampel nicht einfach gasfußberuhigend grün, weshalb sie vor roten Ampeln,
die für Normalsichtige immerhin ferrarirot, wenn nicht gar pfefferonirot
sind, immer so besonders selbstbeherrscht wären. So simpel ist das nicht.
Sonst müsste man, damit besagte Leute eine Rose endlich authentisch
genießen können, "lediglich" ein Exemplar erschaffen, das andersrum ist,
eine Umkehr-Rose. Mit grüner Blüte auf rotem Stängel. Und wozu sind
die zwei kontrastreichen Farbstreifen am unteren Rand der Tafeln da? Sind
die Schlicks Beitrag zur abstrakten Kunst? Oder der Beweis für seine
eigene Farbstärke? Die stechen ja sogar einem Monochromaten ins Auge,
einem, der die Welt nur in Schwarzweiß rezipiert und der nur Tomatengrau
oder Spinatanthrazit kennt. Galerie Lang: Auf wen schießt Audrey
Hepburn? Den Farben entkommt man eh nicht. Und bei Nina Maron schon
gar nicht, die wenige grobe Striche und "eindeutige" Farben setzt: Rot,
Orange, Blau, Schwarz, Weiß (für die Richtigkeit der Farbangaben keine
Gewähr). Ihren rosaroten Panter und ihre Minnie Mouse hat sie gemalt wie
eine Widerstandskämpferin gegen die Schönheit und alles Glatte. Doch siehe
da: Sie ist nicht mehr so schlampig wie früher (nicht zu ihrem Nachteil).
Der Farbe lässt sie ja noch ihre Lebendigkeit in ihren Serien "Killing
Lessons" (einer Porträtreihe vom "Hollywoodlämmlein" Audrey Hepburn, das
aber im ersten Bild eine Pistole hält) und "Girls don't cry", der
Fortsetzung ihrer Rebellinnenserie über böse Mädchen und böse
Feministinnen: stark angeschnittene, zeichenhafte Frauengesichter.
Traurig, müde oder gefasst. Bis 18. Februar beim Lang (Seilerstätte 16).
Erschienen am: 04.02.2005 |
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