Bregenz
(VN-cd) Rund 1000 Arbeiten des Dornbirner Künstlers
Edmund Kalb (1900-1952) sind aufgrund der Forschungstätigkeit des
Kunsthistorikers Rudolf Sagmeister gesichert. Einige konnten
buchstäblich in letzter Sekunde vor den Flammen gerettet werden. Der
Ignoranz der Mit- und Nachwelt fiel viel zum Opfer. Verbrennende
Zeichnungen tauchen deshalb wie ein Symbol im Kalb-Filmporträt auf.
"Erwachen aus dem Schicksal" heißt das Werk des in
Berlin lebenden Vorarlberger Filmemachers Stephan Settele. Es hatte
- wie berichtet - beim Festival "Viennale" Premiere und wird nun am
kommenden Donnerstag erstmals in Vorarlberg präsentiert. Die
Radikalität in der Kunst wie im Lebensentwurf wird in einem
Doku-Teil sowie in klar definierten Spielhandlungen erfahrbar
gemacht.
Ein Radikaler
Settele verweilt in kluger Distanz, macht seine
Gesprächspartner (zum Teil sind es Verwandte oder Personen, die den
Künstler noch selbst gekannt haben) damit zu Zeitzeugen, denen es
selbst überlassen bleibt, die eigene Position preiszugeben.
Kalb war ein Unangepasster, ein Radikaler, einer, der keine
angemaßte Autorität anerkannte. "In der Künstlerschaft ist
Radikalität oft eine Pose", weiß Settele. "Vor allem im Vergleich zu
jener Radikalität, die Kalb gelebt hat."
Der 85-minütige Film wird noch beim Festival "Diagonale" in Graz
gezeigt, Settele wird ihn aber auch dem ORF anbieten.
Forschungsarbeit
Für Rudolf Sagmeister, der schon vor Jahren die erste
große Kalb-Ausstellung in Vorarlberg organisierte, ist es auch ein
Dokument seiner seit 20 Jahren andauernden Forschungsarbeit. Neben
Ausstellungen und diesem Film zeigt diese nun auch verstärkt im
Ausland Früchte.
Der Zeichner und Privatgelehrte Edmund Kalb, der tausende
Selbstporträts anfertigte, um u. a. gedankliche bzw. psychologische
Vorgänge zu visualisieren, ist an Universitäten in den USA immer
wieder ein Thema.
"Die Zeit kommt noch"
Vorarlberger Künstler hätten die Qualität der Arbeiten
von Kalb schon wenige Jahre nach dessen Tod durchaus erkannt, der
Marktwert, den man ursprünglich für so gering hielt, dass man die
Blätter entweder vernichtete oder gleich stoßweise verscherbelte,
ist nach und nach dann doch gestiegen, die Kunstgeschichte hat ihn
aber lange kaum berücksichtigt.
Rudolf Sagmeister ist davon überzeugt, dass er als großer
Zeichner noch eine größere internationale Anerkennung finden wird.
"Die Zeit kommt noch . . . "
Die größte Sammlung an Kalb-Arbeiten befindet sich in Besitz des
Vorarlberger Landesmuseums, zahlreiche der für die Forschung
gesicherten Arbeiten sind in privater Hand. Das Kalb-Archiv ist im
Kunsthaus Bregenz.
Heute ist Radikalität oft eine Pose. Von Edmund Kalb
wurde sie wirklich gelebt.
STEPHAN SETTELE FILMEMACHER
Er zählt zu den besten Zeichnern überhaupt. Ich bin
überzeugt, dass er noch weltweit entdeckt wird.
RUDOLF SAGMEISTER KUNSTHISTORIKER
Lebensdaten
1900: Geburt in Dornbirn, Mutter Schneiderin,
Vater Wappenmaler
1919: Matura an der Realschule
1926: Aufnahme an der Akademie der bildenden
Künste in München
1942: Zur Luftwaffe eingezogen
ab 1943: Widerstand, Verurteilung, lebt autark,
intensive Arbeit, zahlreiche naturwissenschaftliche Versuche
1952: Tod nach einem Magendurchbruch
Die Filmdokumentation "Erwachen aus dem Schicksal" von
Stephan Settele wird am 12. Dezember, 20 Uhr, als Veranstaltung des
Kunsthauses Bregenz im Bregenzer Kornmarkttheater aufgeführt.
"Mädchen auf einer Bank", 1930.
Edmund Kalb: "Selbstbildnis", 1937.