16.04.2002 14:05:00 MEZ
Obsessives Übermalen
"Markus Prachensky - Eine Retrospektive" im Oberen Belvedere

Wien - Markus Prachensky, einer der Mitbegründer der Gruppe Galerie St. Stephan, zählt zu den wichtigsten österreichischen Malern der Nachkriegszeit. Aus Anlass seines 70. Geburtstags (den der Künstler bereits am 21. März feierte) bietet die Österreichische Galerie im Oberen Belvedere mit einer Retrospektive einen Überblick über sein bisheriges Schaffen. Nur ein einziges der fast hundert gezeigten Bilder stammt aus den Beständen der Österreichischen Galerie.

Versäumnis

Die Österreichische Galerie besitze zwar noch ein weiteres Prachensky-Werk, versicherte Ausstellungskurator Franz Smola, doch stellte er die "traurige" Tatsache des anschaulichen Sammlungsdefizites nicht in Abrede: "Es ist ein Versäumnis!" Der größte Teil der weitgehend chronologisch gehängten Schau stammt aus dem Besitz des Künstlers, ein weiterer Teil kommt aus den Beständen der Galerie Ulysses, mit der für diese Ausstellung kooperiert wurde.

Im Gegensatz zu den letzten großen Ausstellungen über Prachensky legt diese "Jubiläumsausstellung" (Smola) ihr Schwergewicht nicht auf rezente Arbeiten, sondern auf die Anfänge in den fünfziger Jahren. Der gebürtige Innsbrucker Prachensky übersiedelte 1952 nach Wien, um an der Akademie der bildenden Künste Architektur und Malerei zu studieren. U.a. von einer großen Piet Mondrian-Retrospektive in Zürich angeregt, beschäftigte er sich zunächst mit geometrischen Konstruktionen und Formen, bald wichen diese jedoch einer tachistischen, informellen Malweise.

"Plötzlich entsteht eine Art obsessives Übermalen, das an Arnulf Rainer erinnert", schwärmte der Kurator. Zusammen mit Rainer, Josef Mikl und Wolfgang Hollegha (in dessen Atelier in der Wiener Liechtensteinstraße die bekannte "Liechtenstein"-Serie entstand) gründete Prachensky die Gruppe Galerie St. Stephan. Der junge Maler überzeugte nicht nur mit einem kräftigen Schwung, einer strengen, zielgerichteten Linie, die starke Dynamik vermittelt, sondern erregte auch durch eine selbstauferlegte Beschränkung Aufsehen: Prachensky wurde zu dem Mann, der rot malt. Rot auf Schwarz oder Rot auf Weiß.

"California revisited"

Die Ausstellung, die in der zeitlichen Abfolge zwischen den frühen sechziger Jahren und der Mitte der neunziger Jahre eine Leerstelle lässt, zeigt auch, dass der Künstler gelegentlich sein Prinzip unterbrach - etwa für die in Italien entstandenen Serien der siebziger und achtziger Jahre, bei denen kräftiges Grün, Blau oder Gelb dem Rot zur Seite stand, oder im jüngsten Werkblock von 2001, "California revisited".

Während die malerischen Momentaufnahmen unterschiedlichster Geschwindigkeiten von den breiten, langsamen Pinselstrichen über kalligrafische, dünne, rasch hingeworfene Zeichen bis zu den in alle Richtungen spritzenden Resultaten heftigen Traktierens von Leinwänden in der Ausstellung schön belegt sind, wird ein anderer Aspekt mangels Dokumente nur gestreift: Bereits im Frühjahr 1959, eineinhalb Jahre vor Hermann Nitschs erster mit Kamera dokumentierter Schüttaktion, führte Prachensky im Wiener Theater am Fleischmarkt eine erste Malaktion durch (die er später in Aschaffenburg wiederholte). Von Musik und absurden Texten begleitet ließ er rote Farbe von oben über eine riesige Leinwand rinnen. Diese Rinnbilder haben sich nicht erhalten - da die Aktion und nicht die Bilder im Mittelpunkt standen, wurden sie gleich nach der Malaktion zerstört. (APA)


Quelle: © derStandard.at