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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
01. Mai 2009
16:13 MESZ

Robben, Tarnen Täuschen
Überwachungsfreie Stadttouren durch Linz

Sightseeing in Linz, ohne dabei von privaten oder öffentlichen Überwachungskameras aufgenommen zu werden, scheint inzwischen unmöglich. Das Projekt Ausblenden tritt nun im Rahmen aktionistischer Stadttouren den Gegenbeweis an - nicht aus sportlichem Eifer, sondern um die Problematik der Überwachung zu thematisieren, erklärt Harald Schmutzhard von der Gruppe Social Impact.

Standard: Rechtlich ist die Kameraüberwachung durch den Eingriff ins Persönlichkeitsrecht und Datenschutz problematisch. Worin besteht die soziale Problematik?

Schmutzhard: Mit der Überwachung geht die Frage einher, was "normale" oder gestattete Verhaltensweisen im öffentlichen Raum sind und ab wann jemand auffällig im Sinne von absonderlich wird. Das Ausgrenzen und Schief-Anschauen von Leuten, die nicht der Norm entsprechen, wird über den indirekten Druck, den die Kameras ausüben, noch verstärkt.

Standard: Wieso leisten Sie Aufklärungsarbeit im Rahmen aktionistischer Stadttouren?

Schmutzhard: Social Impact will stets Kommunikation mit Menschen herstellen, die üblicherweise mit Kunst nicht so viel zu tun haben. Daher die Überlegung, wie man eine Irritation schafft, die Provokation und Neugierde verbindet und zufällig Vorbeikommenden ermöglicht, übliche Denkschemata abzulegen. Und die Mitwirkenden können über das Erlernen der Bewegungstechniken "Robben, Tarnen, Täuschen" - notwendig, um den Kameras auszuweichen - körperlich erleben, wie weit Überwachung bereits fortgeschritten ist.

Standard: Wie läuft so eine Tour ab?

Schmutzhard: Ausgestattet mit Overalls, Knie- und Ellbogenschützern sowie verspiegelten Schildern bewegt sich die Gruppe durch die Innenstadt, erhält Infos zu den touristischen Punkten, aber auch zur Kameraüberwachung vor Ort. Der kann man etwa mit der Strategie "Schildkröte" begegnen: Dazu steht die Gruppe beisammen und bedeckt sich mit den Schildern - ganz so wie bei Asterix. (kafe)

* * *

"Ausblenden": von 10. bis 16. Mai im öffentlichen Raum Linz

14. bis 17. Mai, Hafenhalle 09, Messebetrieb täglich 9.30-18.00,

Symposium "Normalzustände in der Krise", Samstag 11.00-20.00 

www.subversivmesse.net

www.social-impact.de

www.ausblenden.net

 

 

Die Subversiv-Messe am Widerstandsstandort Linz versteht Subversion zwar als umstürzende, nicht aber als negative Kraft und stellt Strategien der Gegenkultur in Messeambiente vor.


Revolutionäre Prothesen
Provokativ und ironisch gibt sich der Überblick der Messe zu Strategien der Gegenkultur und aktuellen Widerstandtechnologien

"Du träumst von einem gemütlichen Zuhause, scheust aber die Kosten für einen Kamin? Du liebst Waldbrandspaziergänge, fürchtest aber den Hitzetod?", preist der Antipreneurshop, und schon ist man wild entschlossen, das neueste Modell der Waldbrandtapete, Buschfeuer, im Format 388 x 270 cm umgehend zu bestellen. Drei Tage Lieferzeit, keine Versandkosten, 45 Euro, das klingt nach einem fairen Handel.

Einen Klick weiter folgt für den verhinderten Zündler die Ernüchterung: "Leider ist diese Tapete unverkäuflich, sie existiert nur virtuell" - ebenso wie die anderen Fake-Produkte, die Nordic-Stalking-Stöcke zum Lauschangriff im Gelände oder die Einkaufstasche Kaufkraft mit eingearbeitetem Schleppstopp. Aber für Geld, das man gerade ausgeben wollte, hat der Antipreneurshop sofort Investitionsalternativen parat: Naturschutz- und soziale Hilfsprojekte. Auch Psychological Prostethics handelt mit Fake-Waren, obgleich Prothesen zur Bewältigung emotionaler Lasten, wie Lehn dich an oder der Wortschwallrecorder, sicher dankbare Abnehmer finden würden.

Das sind nur zwei von 50 Ausstellern der Subversiv-Messe, die sich im Rahmen von Linz 09 Gegenkultur und Widerstandstechnologien verschrieben hat und den Begriff "Subversion" nicht als provokatives Dekor ver(sch)wendet. Subversion versteht man durchaus im umstürzlerischen Sinne - als etwas, das Machtgefüge angreift, Herrschaftssysteme unterwandert, Normen und Regeln kritisiert und revolutionäre Prozesse aktiviert.

Hinter dem Projekt, das Kunst und Politik vereint, steht die Gruppe Social Impact. Seit ihrer Gründung 1997, u. a. von Harald Schmutzhard (siehe Interview unten), beschäftigt sich Social Impact mit gesellschaftspolitischen Reibungsflächen und soziopolitischen Konflikten. 2005 machte sie etwa mit Piktogrammen von sich reden, die drastisch vor Augen führten, dass für Migranten und Flüchtlinge in Österreich weder Milch noch Honig fließen (no milk no honey). Zuletzt verpasste Social Impact den Linzern Ortstafeln in verschiedensten Sprachen und Schriften, um die Vielfalt der in der Kulturhauptstadt lebenden Menschen sichtbar zu machen (Kommen und Gehen).

"Die Subversiv-Messe", erklärt Projektleiterin Barbara Pitschmann, "unterscheidet sich von einer Gruppenausstellung vor allem durch ihren niederschwelligen Zugang - durchs Ausprobieren, Angreifen und direkten Kontakt." Das Prinzip gleiche jenem herkömmlicher Messen wie dem Autofrühling oder der Textilmesse in Düsseldorf. Die Aussteller der Subversiv-Messe bieten jedoch überwiegend keine Produkte an, sondern Workshops - zum Beispiel zum Guerilla-Gärtnern mit Saatbomben - Beratungen oder Dienstleistungen. Life Safely in Europe informiert über das sichere Leben hinter dem Zaun einer Gated Community, und die Absageagentur bietet frustrierten Arbeitssuchenden den Service, auf Stellenausschreibungen selbst einmal mit einer Absage zu reagieren.

Dass so viel Öffentlichkeit das subversive Element neutralisiere, wird laut Pitschmann häufig kritisiert. "Aber die große Stärke von Subkultur ist, dass sie sich ständig neu erfindet." Die Messe gewähre nur kurze Einblicke, zeige, was man machen könne. "Aber man kann es in hundert anderen Varianten machen." (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.4./1.5.2009)

 

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