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MEINUNG

Wunden lecken, Sekt trinken

Nun ist also die Schlacht geschlagen, die Schlacht, von der niemand angenommen hatte, daß sie "die Mutter aller Schlachten" werden könnte. Denn kein Wähler und kein Politiker, schon gar kein Meinungsforscher, niemand hatte angenommen, daß Wolfgang Schüssel, der fast schon "gottgegebene" Kanzler, gekippt werden könnte. Und das noch von einem Herausforderer Alfred Gusenbauer, der von den meisten Kommentatoren als farblos und führungsschwach, dazu noch angeschlagen vom Bawag-Skandal, eingestuft wurde. Und dennoch: Das Wunder, durch das eine fast schon gelaufene Wahl zur historischen Wahl wurde, ist geschehen. Die einen lecken Wunden, die sie unvorbereitet getroffen, die anderen trinken Sekt, den sie nicht eingekühlt hatten. Und Alfred Gusenbauer wird der nächste Kanzler sein, Wolfgang Schüssel wird sich wohl verabschieden. Und mit ihm noch so manch andere. Denn man kann nicht annehmen, daß bei der wahrscheinlichsten Regierungsvariante, der großen Koalition, Schüssel im zweiten Glied hinter Gusenbauer stehen wird. Davon, daß noch eine andere Möglichkeit, nämlich Schwarz-Blau-Orange, möglich wäre, wollen wir einmal absehen, davor möge uns ein gnädiges Schicksal bewahren. Ganz ausschließen solle man im großen Poker um die Macht im Land aber auch solches nicht. Da ist schon einmal einer, sogar vom dritten Platz aus, am Sieger vorbei an die Spitze gestürmt. Wenn es um Posten, um Pfründe, um Einfluß, eben um die Macht im Staate geht, dann zählen die üblicherweise angesetzten Kriterien nur mehr sehr bedingt.

Im vergangenen Wahlkampf ging es, wieder einmal, nicht um Fragen in der Kultur. Aber Bildung spielte in der Themensetzung der Sozialdemokraten eine besondere, eine herausragende Rolle. Die Kritik am überalterten Schulsystem, die durch die PISA-Studie deutlich gewordene mangelnde Ausbildung, die Zustände an den Universitäten haben ihren Beitrag zum Wahlergebnis geleistet. Da liegt vieles am Tisch, das von den Sozialdemokraten nun einzufordern wäre. Gusenbauer selbst hat vieles versprochen, nicht nur die Abschaffung der Studiengebühren. Man wird ihn nicht zuletzt daran messen - ganz besonders wird das die junge Generation tun, die ja die Zustände an den Universitäten ausbaden muß. Eine Konsequenz wird es wohl ganz sicher geben: Elisabeth Gehrer wird als eines der längstdienenden Regierungsmitglieder ihren Sessel endgültig räumen müssen. Denn man kann nicht annehmen, daß die Sozialdemokraten das Kultur- und Bildungsministerium der Volkspartei überlassen werden. Zu scharf war da die Kritik der letzten Monate.

Aber auch für die Kultur stehen wohl Änderungen an. Kunststaatssekretär Franz Morak dürfte nach dieser Wahl nicht mehr zur Disposition stehen, zu sehr war auch er immer Reibebaum sozialdemokratischer Kritik. Ob es, wie das der alte Wunsch der Kulturschaffenden ist, wieder zur Errichtung eines eigenen Kunstministeriums kommen wird, scheint allerdings fraglich. Immerhin war es SPÖ-Kanzler Viktor Klima, der die Kunst zur "Chefsache" erklärte, das Kunstministerium auflöste und ein Staatssekretariat im Bundeskanzleramt einrichtete, sich dann aber nicht mehr um die Kunst und Kultur kümmerte. Das hat die ÖVP-Regierung lediglich fortgeschrieben. Gusenbauer hat gemeint, daß man der Kunst "mehr Aufmerksamkeit in der Regierungsarbeit" widmen müsse. Ob er damit ein eigenes Ministerium gemeint hat, ist offen. Mehr wird man in einigen Monaten wissen. Dann ist der Sekt getrunken.

VON WALTER FINK




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