Alltagssequenzen

Literarische Kostproben aus Anselms Glücks Prosatext: "ich kann mich nur an jetzt erinnern."


"zum schluss der tagung ging ich mit ing. renz noch einmal zu den anlagen hinüber und gab ihm zu verstehen, dass mit längst aufgefallen war, wie ausnehmend bewandert er auf allen gebieten ist, aber am silvesterabend, bei uns zu hause (zugegeben ich war ein wenig voreilig und schwatzhaft), schlug ihn unversehens und en suite in diesem blöden kinderspiel, worauf ich die aufbauarbeit eines ganzen jahres vor meinen augen zusammenkrachen sehen musste, während ich falschfröhlich lachte und bei seiner frau ein schokoladeröllchen gegen eine kuß eintauschte."

... "als auch mein zweiter mann mich verließ, tobte ich und schrie, und dann müde geworden, weinte ich nur noch. plötzlich aber stürtzte ich mich auf ihn, riß ihn zu boden und begann auf ihm herumzutrampeln. dann setzte ich mich und schabte ihn mir von den schuhsolen."

"ich ziehe morgens los und komme am abend zurück. dazwischen halte ich ausschau. starr mein gesicht, schlendere ich fassungslos straßenzüge entlang. zeit und raum. leide ich unterwegs, trete ich unverzüglich den heimweg an, und wird es zu hause nicht besser, renne ich wieder los. ich denke das ist nicht weiter ungewöhnlich. ich jedenfalls kenne das gut. immer und immer im kopf herum. von zeit zur zeit neige ich dabei zu der und der ansicht, und meine aufasssungswut bäumt sich schnurstracks in die jedesmal nächstbeste gelegenheit; huldvoll und klar abgekartet."

Tipp:

Im Verlag Maximilian Droschl sind sämtliche Bücher von Anselm Glück erschienen. Die Textpassagen stammen aus: "anselm glück, ich kann mich nur an jetzt erinnern", Droschl Verlag 1998.

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