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10.03.2003 18:19

S.M.S. "Albertina", Perle der österreichischen Schifffahrt!
Beim Anblick der Albertina neu gerät der Autor des Kommentar der anderen etwas aus der Fassung



Was einen kunsthistorisch geschulten Betrachter beim Anblick der Albertina neu etwas aus der Fassung bringt: Anmerkungen zur Metamorphose des "schönsten klassizistischen Palais Mitteleuropas".




"Diese Stadt ist eine Perle! Ich werde sie in jene Fassung bringen, die dieser Perle würdig ist." Es ist bekannt, was auf diese großspurige Ansage folgte. Zu den städtebaulich gravierendsten Kriegsverlusten zählte das reich mit Freiplastik bestückte Ensemble hinter der Oper, dessen Mittel- und Höhepunkt der Philipphof bildete. Diese eindrucksvoll dichte städtebauliche Komposition der Gründerzeit wurde vor 58 Jahren am 12. März 1945 vernichtet. Die Tragödie wirkt bis heute fort, hat sich allerdings zur Farce gewandelt.

Für den Wiederaufbau gab es kein Gesamtkonzept, jedes Haus wurde für sich behandelt: Die Oper wurde in ihrer Außenerscheinung rekonstruiert, an der Stelle des Hauses Führichgasse 10 ein Neubau im "Emmentaler-Stil" errichtet, die Ruine des Philipphofes ersatzlos geschleift. Einen Sonderfall bildete die Reparatur der ebenfalls schwer beschädigten Albertina: Die Architekten Otto Nobis und Alfred Dreier standen vor der schwierigen Aufgabe, trotz geänderter Proportionen den Gesamteindruck eines barocken Stadtpalais beizubehalten.

Obwohl in manchen Details ein vielleicht etwas zu monumentaler Ton angeschlagen wurde, entstand eine stimmige, halbwegs ausgewogene Lösung, die das erwünschte Gesamtbild eines historischen Baues ergab, in den neuen Teilen aber doch als Schöpfung ihrer Zeit - der frühen 50er-Jahre - erkennbar blieb.

Himmlisches Zeichen

Als am Beginn der 90er-Jahre endlich grünes Licht für einen Erweiterungsbau der Albertina gegeben wurde, plante man zunächst nur einen Tiefspeicher mit Studiensaal, beides ließ sich - von außen unsichtbar - im Erdkern der Bastei unterbringen. "Im selben Sternzeichen wie Alexander der Große geboren" (O-Ton Klaus Albrecht Schröder), konnte sich der 1999 inthronisierte neue Direktor mit dieser zwar funktionell und architektonisch ausgeklügelten, aber unglücklicherweise schon fertig geplanten "sanften" Erweiterung nicht bescheiden, er hatte mit der Albertina Größeres und Gröberes vor. Seine eigentliche Ambition, die Ausstellungsmacherei, richtete sich dabei gegen die Albertina als Institution wie als Gebäude. Ihr Inhalt, die Grafik, eine ebenso subtile wie sensible Kunstgattung ("Die Werke vergehen im Tageslicht wie Vampire", O-Ton K. A. S.), ist für die publikumswirksame Vermarktung durch plakative Großausstellungen nämlich ebenso wenig geeignet, wie es das historische Bauwerk für die Nutzung als Ausstellungsbau war. Auf dem Weg vom authentischen Ursprungsort und Sitz einer einzigartigen grafischen Sammlung zur Kunsthalle für einen beliebigen Ausstellungsbetrieb musste die alte Albertina, "das schönste klassizistische Palais Mitteleuropas" (K. A. S.) daher Federn lassen.

Trotz schwerer Bedenken einschlägiger Fachleute wurde aus der historischen Bausubstanz ein riesiger neuer Ausstellungssaal herausgestanzt, der Bibliotheksgang, historische Keimzelle der grafischen Sammlung geopfert. Das dazugehörige klassizistische Mobiliar ließ der sensible Kunsthistoriker Schröder auf den Sperrmüll verfrachten. Selbstverständliche sollte die "einer Neugründung gleichkommende" (K. A. S.) Metamorphose des traditionsreichen Hauses zum modernen Ausstellungsbetrieb auch durch entsprechende Zeichensetzung am Außenbau sichtbar werden. Die Gestaltung der frühen Wiederaufbauzeit wurde als obsolet erklärt und die von Nobis und Dreier geschaffene integrative Fassadenlösung zerstört.

Während im oberen Bereich die aus 1865 stammende, für ein viel niedrigeres Gebäude konzipierte historistische Fassade mit dem dementsprechend nun zu hoch angeordneten schmalen Balkon rekonstruiert wurde, suchte "Stararchitekt" Hans Hollein für den Sockel eine neue Verkleidung und wählte einen Matrosenanzug. Große Bullaugenöffnungen werden nach seinen Vorstellungen mit einer geschlossenen wellenförmigen Steinoberfläche kombiniert. Die runden Löcher waren rasch in den Rumpf gebohrt (im Übereifer war's sogar um eins zu viel, das dann wieder vermauert wurde), für das Anbringen der Steine hat man sich dagegen zu (?) lange Zeit gelassen - eine rechtzeitige Fertigstellung zur Eröffnung scheint fraglich.

"Sensible" Takelage

Die kurze Zeitspanne, die für die Aufbringung des Überzugs veranschlagt war, gibt immerhin Hoffnung für die Zukunft: Die Verkleidung wird sich eines Tages auch rasch wieder ablegen lassen, wenn wir ihrer als einer überholten Faschingslaune von vorgestern überdrüssig geworden sind und den Anblick des sinnlos rekonstruierten Präparats der Gründerzeit-Fassade, die als Stückwerk über der Wassermauer hängt, nicht mehr ertragen wollen. Bei der für diesen späteren Zeitpunkt zu erwartenden Rückführung der Straßenfront in den Zustand von 1952 wird dann lediglich die Wiederherstellung der jetzt noch abzuschremmenden schweren Fensterrahmungen finanziell ins Gewicht fallen.

Relativ problemlos wird sich später einmal auch die Demontage der noch nicht montierten - und auch kaum vermissten - schrägen Takelage der Albertina gestalten. Mit dem als Künstlersignatur gedachten, nach den edlen Spendern Hanno und Erwin "Soravia Wing" genannten Vordach will der Architekt "sensibel auf den historischen Bestand" (PR, Albertina) reagieren. Ergebnis: Während unten eine Rolltreppe die Bastei penetriert, wird darüber der "Soravia Wing" die erzherzogliche Reiterstatue zerschneiden und so einen endgültigen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen.

Abgesehen von der originellen Materialwahl (Titan - assoziiere: Gehry-Bilbao-Weltarchitektur!) ist das Vordach in Gestus und Funktion demjenigen verwandt, das seit einiger Zeit in der Michaelerkuppel auf den Zugang zu den Kaiserappartements verweist, und wird sich rasch als das entlarven, was es ist: Kitsch pur. An Geschmackssicherheit übertroffen nur noch von der verräterischen Ankündigung des Bauherrn: "Es ist die Perle, die dem Ring seinen Glanz verleiht." (DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2003)


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