Gerhard Rühm

"Ich halte Religionen für ein großes Übel"

04. Mai 2010, 17:15
  • Artikelbild: Gerhard Rühm, Meister
 der (Sprach-)Künste.  - Foto: Andy Urban

    Gerhard Rühm, Meister der (Sprach-)Künste.


Bis Ende Juni ist seine Ausstellung im Mumok zu sehen; diesen Freitag tritt der (Sprach-)Künstler im Wiener Akademietheater auf

Mit Andrea Schurian sprach er über Religion, Provokation und Grenzerfahrungen.

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Standard: Sie sind heuer im Februar 80 geworden und unglaublich aktiv: Sie unterrichten, stellen aus, treten auf, publizieren: Denken Sie je ans Aufhören?

Rühm: Das wäre mein Tod. Ich habe noch so viele Ideen, ich muss mindestens noch zehn, fünfzehn Jahre leben, um wenigstens die wichtigsten umsetzen zu können.

Standard: Eine verwirklichen Sie jedenfalls am Freitag im Akademietheater: Neben Ihren berühmten Sprechduetten mit Ihrer Frau Monika Lichtenfeld wird es eine Uraufführung geben. Was wird das sein?

Rühm: Es heißt Gespräch über Schweigen und Verjährung und basiert auf einem Zeitungsinterview eines Missbrauchsopfers. Ein Sprecher - der Pianist - stellt die Fragen, das Klavier spielt die Antworten. Ich übertrage die Laute des Textes auf Töne am Klavier, das heißt, es wird im Duktus des Sprechtextes weitergeführt, nur versteht man den Text nicht. Wenngleich man aus den Fragen errät, wie die Antworten sein könnten. Darum geht es: um das Schweigen und Verschweigen.

Standard: Warum ist gerade die katholische Kirche offenbar so anfällig für sexuellen Missbrauch?

Rühm: Missbrauch kommt auch in der protestantischen Kirche vor. Es liegt am total verkorksten Sexualdenken des Christentums überhaupt. Das Schöne am Hinduismus und anderen östlichen Religionen ist ja ihr völlig entspanntes Verhältnis zum Sexuellen. So verkrampft in Sachen Sexualität sind nur monotheistische Religionen, orthodoxes Judentum, Christentum und Islam.

Standard: Beschäftigen Sie sich viel mit Religionen?

Rühm: Ja. Ich besitze eine große religionswissenschaftliche Bibliothek. Natürlich finde ich die Bibel ein großartiges Buch, vor allem in der Luther-Übersetzung. Aber ich halte Religion - mit Ausnahme des Zen-Buddhismus, für den ich eine große Schwäche habe - für ein großes Übel und für Volksverdummung. Ich bin ein Gegner von Religionen.

Standard: Warum dann das ausgeprägte Interesse an Religionen?

Rühm: Ich habe mich schon als Kind für Grenzfragen interessiert. Es hat sich mir im wahrsten Sinn des Wortes der Magen umgedreht beim Gedanken an Unendlichkeit und Ewigkeit. Inzwischen weiß man ja, dass Zeit nicht immer existiert hat und wohl auch nicht immer existieren wird. Ich beschäftige mich intensiv mit Astrophysik und allen Formen der Grenzfragen, auch der psychischen.

Standard: Haben Sie auch Grenzerfahrungen mit Drogen und Alkohol gemacht?

Rühm: Drogenexperimente waren im Berlin der 60er-Jahre gar nicht zu vermeiden. Mit Haschisch hatte ich allerdings nicht viel am Hut, davon kriegt man nur einen trockenen Mund. Außerdem musste man das rauchen, aber ich habe niemals Zigaretten geraucht. Also habe ich LSD versucht. Dann sagte man mir, bei Mescalin könne man besser arbeiten. Ein Mescalin-Erlebnis hat mich zu einem Hörstück angeregt: Ich konnte mit dem Klavierspielen nicht aufhören, wo die Tasten enden, und habe auf den Möbelstücken weitergespielt. Aber eigentlich bringt das alles künstlerisch gesehen nichts. Auch Alkohol war damals in Berlin als Animationsmittel en vogue beim Arbeiten. Ich brauche das längst nicht mehr, aber ich bin kein Antialkoholiker. Ich trinke gern zum Abendessen guten Wein und anschließend zwei Gläschen Verdauungsschnaps. Dann bin ich auch oft gut in Stimmung, um zu zeichnen.

(DER STANDARD/Printausgabe, 05.05.2010)

Zur Person:
Gerhard Rühm, geboren 1930 in Wien, studierte Klavier und Komposition an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst. Er arbeitet im Grenzbereich von Musik, Sprache, Gestik und Visuellem und produziert seit Beginn der 1950er-Jahre Lautgedichte, Sprechtexte, visuelle Poesie, Fotomontagen, automatische Zeichnungen und Buchobjekte. Gemeinsam mit Friedrich Achleitner, H. C. Artmann, Konrad Bayer und Oswald Wiener bildete er die Wiener Gruppe. Rühm wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. 1991 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur. Der 5. seiner auf zehn Bände angelegten Werkausgabe erscheint heuer bei Matthes und Seitz und umfasst auf rund 800 Seiten alle Theaterstücke.

Akademietheater, 7. 5. , 20 Uhr

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23 Postings
Trismegisto  
05.05.2010 11:26
ich halte Religionen für eine tolle Sache

sie sind nicht perfekt, manche find ich besser als andere, und man sollte sich auf jeden Fall auch ihrer Gefahren bewusst sein, aber ansonsten - eine faszinierende und hilfreiche Angelegenheit.

Und noch zum Hinduismus: man kann nicht einfach sagen dass er ein entspanntes Verhältnis zur Sexualität hat, weil es auf das jeweilige Verständnis des Gläubigen (und seinem eventuellen Guru) ankommt wie man das sieht.

05.05.2010 11:25
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scheint mir allerdings ein ziemlich oberflächliches verständnis von religion zu haben.

religion und kirche und deren religionsauslegung sind zwei grundverschiedene dinge.

ich denke, dass das christentum eine überaus anspruchsvolle und ethisch hochstehende religion sind, die kirche jedoch in manchen dingen durchaus unchristliche positionen vertritt.

wenn man glück, einsicht & zufriedenheit...

nicht in sich selbst findet, wird kein guru/lehrer, keine philosophie, weltanschauung, religion, religiöse oder politische gemeinschaft dies ersetzen können.

"ich habe eine wahrheit gefunden," sagte ein mensch. "komm, lass uns eine religion/konfession daraus machen," sprach ein teufel... ;-)

Alter Knacker 
05.05.2010 08:59
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Im Katechismus ist z.B. die Frage beantwortet, ob Gott eine Erfindung des Menschen sei usw. Und da steht noch viel mehr. Man kann aber hier nicht seitenlang den K. zitieren. Wenn also jemand den K. kennt, dann soll er hier nicht so tun, als wüsste er von gar nichts und damit die Leute provozieren. Weil es ist nämlich keine Kunst gegen die Kirche zu sein. Dazu braucht man nur zu faul sein am Sonntag aus dem Bett zu steigen. Und in den Büchern steht genügend von den Prinzipien, dass man nicht warten muss, bis ein makelloser Bischof erscheint, man kann selber zum Vorbild werden.

franz winterleitner
05.05.2010 08:24
...

....ich auch.

05.05.2010 07:51

Falsch! Religionen heben das Niveau. Gilt natürlich nur wenn man vorher auf einem tieferen Nieveau war, eh klar. Man braucht ja nur zu schauen, wo sich Religionen ausbreiten und wo sie an Zuspruch verlieren.

Tandaradei Kladderadatsch
05.05.2010 11:02
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Zeugt es wirklich von hohem Niveau, wenn man Macht und Unterwerfung im Namen eines Gottes ausübt anstatt im eigenen Namen?

05.05.2010 00:20
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religionen, keine frage, ein übel, aber,

warum der zen-buddhismus als religion läuft is doch blödsinn.

das is halt nur eine philosophie.
auch der buddhismus is ein blödsinn. ein masochistischer blödsinn. hinduismus detto. bei den abrahamitischen religionen kommt zum masochismus halt auch noch sadismus dazu.

aber zen religion? nein, sicher nicht.

Kendall Von Tharn
05.05.2010 07:59

naja, den zen-buddhismus per se gibt es nicht, wohl aber etliche strömungen, die z.t auch reiligiöse ansätze haben. wäre interessant, für welche richtung er eine schwäche hat.

bspw. sagen zen-meister "denn mitten im weltlichen treiben, bei jedweder tätigkeit, offenbart sich die göttliche wirklichkeit.“

04.05.2010 22:03
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"Aber ich halte Religion - mit Ausnahme des Zen-Buddhismus, für den ich eine große Schwäche habe - für ein großes Übel und für Volksverdummung."

Ein wahres Wort, gelassen ausgesprochen!
Konkrete Umsetzung: Keine Einwanderung mehr von Moslems nach Europa. Sofortiger Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Aufstockung der Truppen in Afghanistan um 500.000 und Kopfgeld für jeden toten Taliban!

1010001010001010010
04.05.2010 23:15
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interessanterweise wird von rühm hauptsächlich das christentum kritisiert, aber mit ein bissl selektiver wahrnehmung kann man da auch so einen schmarren wie Sie herauslesen. ist auch angewandte volks/selbstverdummung.

04.05.2010 21:56
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Religionen sind das größte Übel der menschlichen Zivilisation

nichts bewirkte blinderen Fanatismus als der indoktrinierte Glaube an einen der Allmächtigen.

Clarissa Goldsmithprawndown
04.05.2010 20:07
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Jede Religion?

Nun ja, aber was genau trägt bitte schön ganz konkret sagen wir einmal die www.atheistische-religionsgesellschaft.at zur "Volksverdummung" bei? Vielleicht bin ich ja schon zu (ver)dumm(t), aber ich kann da beim besten/bösesten Willen nichts "Übles" erkennen... ;-)

Alter Knacker 
04.05.2010 21:43
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er hält alle Religionen, mit Ausnahme des Zen-Budhismus, für ein großes Übel und für eine Volksverdummung, nachdem er die Bibel studiert hat usw. Also das ist eine Provokation und er will damit halt irgendwem etwas zu Fleiß machen. Aber er soll sich das in sich hineinstopfen, bis er in die Extase kommt. Es braucht sich niemand sonst damit beschäftigen.

Wolfgang Keim 
04.05.2010 19:50
das ist doch quatsch -

mit der entspannten unfanatischen Art der östlichen Religionen. In solchen Kreisen gibt es auch sozialdarwinistische Sexualentzugsriten. Man kann dort kaum gesunde sexuelle Beziehungen finden oder öffentlich zeigen. Entsetzliche Massen an östlichen und westliche "Wieseln" vertürken die eingentliche Religion zu einer kartellisierten Wucher und Nepp Einnahmequelle.

04.05.2010 18:05
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Schade, dass es in Oesterreich nicht

viel, viel mehr Gerhard Rühme gibt.

Wir braeucherten ungefaehr 7865 von seiner Sorte und Genialitaet sehr dringend!

Preger, Teilzeitkuenstler/In

04.05.2010 18:26
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"Preger, Teilzeitkuenstler/In"

Können Sie Ihr Geschlecht nicht bestimmen, oder ist Ihre Persöhnlichkeit gespalten?

kann man Glück shorten?
05.05.2010 09:07
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Ich sage nur Monty Phyton - Loretta



http://www.youtube.com/watch?v=F7MZUFSTE6k

;-)

05.05.2010 10:51
Herrlich, thanx!!

Bitte aber auch im Original versuchen, denn dieses ist meist viel besser:

http://www.youtube.com/watch?v=sFBOQzSk14c

Gruss,
Ihr Preger, Teilzeitkuenstler/In

05.05.2010 00:05

er ist eine männliche feministin

04.05.2010 18:28
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Also gut, raff1, ich korrigiere,

wir brauchen dringend 17865 Gerhard Rühme!!!

Preger, Teilzeitkuenstler/In

René Herndl
04.05.2010 17:51
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Chapeau!

Ein kluger Mann, der leider allzu wenig gehört wird! Vielleicht sollten manche Politiker einmal einen Disput mit diesem mann wagen - wenn sie´s intelektuell durchstehen.

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