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Fortgeschrittene Polaroia
(cai) Polaroid? Klingt ein bissl wie " para noid". Wer paranoid ist, fühlt sich jedenfalls verfolgt. Zum Beispiel von einem Eisbären. Aha, dann glaubt eine polaroide
Persönlichkeit wohl, sie sei selber ein Eisbär (aus dem Polargebiet).
Und wenn sich ein Eisbär zeitweise für einen Pinguin hält und meint,
der Nord- sei der Südpol? Tja, der ist natürlich bipolar.
Der Typ da in der kurzen Filmszene leidet aber eindeutig an einer
Polaroia. Der versucht doch glatt, einer Polaroidkamera (a so, um die
geht’s) durch Telepathie das Porträt eines Urmenschen zu übermitteln.
Führt sich auf wie ein Neandertaler mit Bauchweh. Zuckt total aus. Das
hat der Christian Mayer freilich nicht selber gedreht. Er hat es
gefunden. Im Fernseher. Seine Kunst ist ja so unmerklich kreativ, dass
es kaum auffällt. Und ist dabei raffiniert konzeptuell. Das Ganze ist
nämlich ein Nachruf. Auf die Sofortbildkamera. Obwohl: Ein Wiener will
die doch eh wiederbeleben, oder? Wie der Spielberg die Saurier. (Äh,
kriegen wir jetzt einen "Polaroic Park"?)
Zuerst stellt Mayer mit dem legendären "Film 55", der sowohl ein
Sofortpositiv als auch ein "Negativ für später" liefert, einen
Belichtungstest aus dem Jahr 1963 nach. Die Negative klebt er dann auf
die Blätter von exotischen Topfpflanzen, damit diese (mittels
Photosynthese) Abzüge davon machen, die also irgendwann wundersam im
Blattgrün erscheinen. Sollen. Na, das nenn’ ich eine elegante
Überleitung. Nämlich zu den 450 Polaroids aus dem Urwald, die die
"Zivilisierung" von Indios durch böse Imperialisten zeigen. Die meisten
Fotos sind allerdings umgedreht. Weil sie zu grauslich
sind? Nein, weil der Robert de Niro drauf ist. Und man dann sehen
würd’, dass sie bloß Dreharbeiten dokumentieren. Zum Film "The
Mission". Die arme Polaroidkamera ist sicher eine Metapher. Für das
"Primitive", das dem Fortschritt geopfert wird.
Galerie Mezzanin
(Getreidemarkt 14)
Christian Mayer
Bis 13. November
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 15 Uhr
Schlaf, Künstler, schlaf!
(cai)Vervollständigen Sie diesen Titel: " .. r . y Da .. ing." Hm.
Dirty Dancing? Theoretisch. Trotzdem heißt die Ausstellung "Early
Dawning". Doch woher hätten Sie das denn wissen sollen? (Na ja, aus dem
Kastl rechts unten.) Wieso eigentlich "frühe Dämmerung"? Ich hab da
eine Theorie. Dass die Künstler noch nicht ausgeschlafen waren, als sie
diese Werke schufen. Carsten Fock malt ungefähr so, wie ich koche.
(Okay, das war jetzt gemein. Weil ich ja nur eine Eierspeis hinkrieg’.)
Ryan Mosley malt – auch. Marita Fraser malträtiert ein paar Tüchln.
Oder setzt dem Kunstbetrachter einen Eignungstest vor. Wer den roten
Zweier inmitten der grünen Kreise nicht erkennt, ist ... ein Banause?
Nein. Farbenblind. Freude bereitet bloß Robert Dowling. Der legt uns
alle rein. Sein aus schwarzen Dreiecken zusammengefügtes Bild (ein
Puzzle für Minimalisten) besteht ja gar nicht aus Leinwandstückerln.
Nein, das sind Abgüsse von Leinwandstückerln. (April, April!)
Engholm Engelhorn
Galerie
(Schleifmühlgasse 3)
Early Dawning
Bis 30. Oktober
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 15 Uhr
Pflück langsam 2.0
(cai) Der Staudacher ist eh kein Wüstling (mit dem Pinsel). Sondern ein
Romantiker. So manches Gekritzel ist wohl ein Liebesgedicht. Oder
Bukolik. In freien Rhythmen. Sehr freien Rhythmen. Ein begnadeter "Kleckser" ist er, der weiß ,
wann die Leinwand oder das Papier genug hat. In einem Drama aus Kreuzln
und Pfeilen, die offenbar den Tathergang schildern, tauchen Wörter auf:
"Muh – Blume – muh – muh." Praktisch ein Remake von Goethes
"Heidenröslein" ("Pflück langsam 2.0"). Nur halt mit einer Kuh. Und
vielleicht einem Gänseblümchen. "Sah ein Rind ein Gänseblumerl stehn,
Gänseblumerl auf der Weiden. War so – schmatz!"
Galerie Gerersdorfer
(Währinger Straße 12)
Hans Staudacher
Bis 14. November
Do., Fr., Sa.: 11 – 20 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 28. Oktober 2009
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