Feuilleton

Reisender und Suchender

19.05.2007 | SN

Als Architekturstudent an der Technischen Universität Wien bereiste Bernard Rudofsky ab 1922 in den Sommermonaten die Mittelmeerländer und entdeckte dort seine Leidenschaft für mediterrane Architektur - fasziniert, wie sie aus den örtlichen Gegebenheiten heraus entstanden war. Seine Dissertation stellte die Bauweise der Kykladeninsel Santorin in den Mittelpunkt. Ab 1932 lebte Rudofsky in Italien, wo er mit Luigi Consenza sein erstes Hauptwerk, die Casa Oro, das goldene Haus in Neapel, realisierte. Es wies alle Merkmale seiner späteren Häuser auf: Durchdringung von Außen- und Innenraum sowie vorgelagerte Wohnhöfe, die den Bewohnern Schutz und Intimität gewährleisten sollten. Für Rudofsky stand der Mensch mit seinen Bedürfnissen im Vordergrund. Im Gegensatz zur internationalen Debatte um "richtiges" Wohnen, die häufig bei Le Corbusier endete: "Das Haus ist eine Wohnmaschine." Rudofsky blieb der Wiener Tradition verbunden.

Während er für die Zeitschrift "Domus" in Mailand arbeitete, trieb er das Thema Wohnen zusammen mit Gio Ponti voran. Er führte zwei unterschiedliche Traditionen als Wohn- und Lebensideal zusammen: den japanischen und den mediterranen Wohnstil. Das japanische Haus orientiert sich im Gegensatz zum europäischen nicht an Monumentalbauten, sondern an der traditionellen Bauweise. Rudofsky bewunderte die Leichtigkeit der Baumaterialien wie Holz, Papier und Bambus, die sparsam eingesetzte integrierte Möblierung, die variable Raumauffassung und die enge Beziehung zur Natur.

1938 flüchtete Rudofsky mit seiner Frau Berta, einer gebürtigen Wienerin, nach Südamerika, ab 1941 ließ er sich in New York nieder. Das Museum of Modern Art, das während der Kriegsjahre in Europa zum Trendsetter der Moderne geworden war, lud ihn ein, eine Ausstellung zum Thema Bekleidung zu machen: "Are Clothes modern?" Die Schau wollte die Wirkung von Werbung und der sich wandelnden Modetrends aufzeigen und Lebensgewohnheiten hinterfragen.

Bereits in seinen Reisetagebüchern hatte er sich zahlreiche Notizen über das Ess-, Bade- und Schlafverhalten in den unterschiedlichen Kulturen gemacht. Ihn interessierten die Gründe für die Tabuisierung bestimmter Körperfunktionen, das Scham- und Peinlichkeitsverhalten. Er lehnte übernommene Lebensgewohnheiten ab, es ging um das Hinterfragen und die Neudefinition der eigenen Lebensweise. "Es ist müßig, über die Wohnarchitektur zu fachsimpeln, so lange wir uns nicht Rechenschaft geben, wie der Bewohner sitzen, schlafen, essen, baden, sich reinigen und sich kleiden soll."

"Keine neue Bauweise, sondern eine neue Lebensweise tut Not" - so lautete Rudofksys Credo. Der Modeindustrie warf er vor, die Anatomie des Menschen zu wenig zu berücksichtigen, ja diese sogar zu deformieren. Da hatte er vor allem die Schuhindustrie der 50er Jahre mit ihren Stöckelschuhen und symmetrischen Schuhformen im Visier. Er entwarf eine eigene Schuhkollektion und propagierte die Sandale als adäquates Schuhwerk für einen "befreiten" Fuß und als von jeder Modeströmung unabhängig. Die "Bernardo Sandals" waren so erfolgreich, dass sie fast 20 Jahre produziert wurden.

1955 reiste Rudofsky erstmals nach Japan, wo er zwei Jahre als Fulbright Scholar verbrachte. Immer begleitete ihn Berta, die er 1934 auf Ischia kennen gelernt hatte. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern lebte sie ein für damalige Verhältnisse freies Leben. Sie unterstützte ihren Mann bei allen Vorhaben und reiste mit ihm durch die Welt. Sie war Model für seine Sandalen, nähte die ersten sogar selbst, fuhr ihn im Auto durch die Gegend, denn er liebte es, die Landschaft zu betrachten und lehnte es ab, immer auf die Straße zu blicken. Sie war Übersetzerin, Lektorin und später Nachlassverwalterin seines Œuvres. Die gemeinsame Zeit in Japan beschreibt sie als schwierig, da sie nur schwer Einblick in die Gesellschaft erhielten. Rudofsky verarbeitete seine Eindrücke in der Ausstellung "Japanese Vernacular Graphics" und dem Buch "The Kimono Mind. An Informal Guide to Japan and the Japanese."

Die Ausstellung und Publikation "Architektur ohne Architekten" konzipierte Rudofsky 1964 wieder für das Museum of Modern Art in New York. Sie war ein so großer Erfolg, dass sie elf Jahre weltweit gezeigt wurde. Im Vorwort zum Katalog schrieb er: "Architektur ohne Architekten versucht, uns von der begrenzten Vorstellung, die wir von der Kunst des Bauens haben, zu befreien, indem sie uns mit der ungewohnten Welt der Architektur ohne Stammbaum bekannt macht."

Nicht den Leistungen großer Baumeister, sondern volkstümlichen Bauten auf der ganzen Welt galt Rudofskys Interesse. Er gruppierte die Fotos auf sehr ungewöhnliche Weise, fast collagenartig nach funktionalen und nicht nach historischen oder geografischen Zusammenhängen. So gab es einen Bereich, wo er sich der Verwendung von Materialen wie Gras, Bambus und Holz in den verschiedenen Erdteilen widmete, und einen über Architektur, die getragen (Baldachine) oder schwimmen konnte (Hausboote) oder aus leichtem Material und beweglich war (Zelte). Rudofsky bewunderte die Eingliederung in die Natur, die nicht "erobert" oder, wie er ironisch anmerkte, mit der Planierraupe niedergewalzt worden war.

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