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16.01.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Putin an der Decke
VON ALMUTH SPIEGLER
Symbole der Macht. "Czernowitzer Austria" auf Tour.

D
as hübsche Köpfchen hat sie ver loren - und welche Attribute sie einmal stolz in Händen hielt, ist auch noch unklar. 1875 wurde die vom Wiener Bildhauer Karl Pekary geschaffene "Austria" als Symbol der Habsburger-Monarchie am gleichnamigen Hauptplatz der Bukowiner-Hauptstadt Czernowitz (heute Ukraine) aufgestellt. Ein Umstand, den die Rumänen, als sie 1918 die Macht übernahmen, nicht akzeptieren konnten - die zwei Meter hohe Marmorstatue verschwand von ihrem Sockel. Und tauchte im Mai 2003 ähnlich mysteriös wieder auf: bei Bauarbeiten im Hinterhof einer Bank, einem ehemaligen Museum. Der nunmehrige Torso wurde gehoben und unter einer Treppe zwischengelagert, wo ihn der in Wien lebende Prager Künstler Abbé Libansky noch fotografierte, bevor er in die städtische Restaurierstube abtransportiert wurde.

So historisch begann es, das grenzüberschreitende Kunstprojekt "Brücken:Schlag. Die Czernowitzer Austria", das jetzt in der von "Kulturkontakt" betriebenen Galerie Artpoint vorgestellt wird. Und so zeitgenössisch wird es nach einer Tour durch das östliche Europa im Sommer 2007 in Czernowitz wieder enden.

Im Auftrag von Libansky und der Fotografin Barbara Zeidler ("Institut für kulturresistente Güter") wurden mit finanzieller Unterstützung u. a. der Erste Bank in Bratislava zehn Repliken dieser seltenen Österreich-Allegorie hergestellt - und zehn Künstlern aus Österreich, Ungarn, Polen, der Slowakei und der Ukraine ins Atelier geliefert. Als ziemlich massive Muse, um sich in nächster Zeit mit Fragen nach dem Umgang mit politischen Symbolen in einem neuen Europa zu befassen: Wie etwa lässt sich Identität heute symbolisch darstellen? Wie konstruiert sie sich - und welche Symbole haben überhaupt Zukunft?

Im Kontrast zu einigen symbolträchtigen Skandalen der jüngeren Zeit, etwa die Türkei-Beflaggung der Kunsthalle oder den EU-Slip der 25-Peaces-Plakate, scheint es bisher, jedenfalls bei den beiden bisher bereits fertig gestellten Arbeiten zur "Czernowitzer Austria", aber weniger um vordergründige Provokation zu gehen: Bernadette Huber nimmt die Kopflosigkeit ihrer "Austria"-Replik zum Anlass, aus dem Rumpf in schneller Folge "Herrscher"-Porträts von Cäsar bis Putin an die Decke zu projizieren. Und Libansky selbst stellt überhaupt gleich die Trümmer seiner "Austria"-Gussform aus. Ein weiteres Projekt: Hilde Fuchs wird zu jeder Länderstation der "Austria" eine eigene Kollektion mit je fünf Kleidungsstücken und Accessoires entwerfen.

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