Wie man keine Kunst macht
Von Claudia Aigner
Keine Kunst ist keine Kunst ist keine Kunst ist vielleicht
doch Kunst. Wenn eine Galerie ankündigt, bis 30. September "keine Kunst"
zu zeigen, dann kann es schon passieren, dass ein paar Leute glauben, es
gebe keine Ausstellung. Bei einer gründlichen "Leibesvisitation" würde man
in der Galerie Cult (Bandgasse 19) freilich etwas finden, das dem Begriff
"Kunst" sehr nahe kommt. Marcel-Duchamp-Geschädigte werden jetzt
mutmaßen: Ja wahrscheinlich hat sich jemand mitten in die Galerie gestellt
und einfach seinen Namen in die Luft gekritzelt. Und jetzt, wo die
Galerieluft signiert ist, ist sie halt Kunst. So war es nicht. Bis auch
bei mir daheim "keine Kunst" zu sehen sein wird, wird es noch ein bisschen
dauern, aber auch nur deshalb, weil ich bislang noch zu faul gewesen bin,
um dort eigenhändig "keine Kunst" aufzuhängen, obwohl ich mir genug davon
aus der Galerie mit heim genommen habe. Genug, um mein ganzes Zimmer damit
zu tapezieren. Nämlich mit dem Plakat, das in Erich Praschak s
Ausstellungsraum aufgestapelt ist. Und von wem ist das Plakat? Praschak:
"Das ist anonym, aber es ist natürlich von mir." Im Satz "ausstellen
ist keine kunst" ("naturgemäß" blau auf schwarzem Grund, also sehr
politisch) ist alles, bis auf "keine kunst", durchgestrichen. Ausstellen
ist watscheneinfach, aber wenn ihr uns unsere Fördermittel streichen tuts,
ist das, was übrigbleibt, keine Kunst? Die Botschaft erschöpft sich aber
nicht in "Donnerstagsdemonstrantenmentalität", sondern setzt eine
intelligente Beschäftigungstherapie fürs Hirn in Gang. Und führt etwa zur
Gretchenfrage: Was ist Kunst? Reicht es, etwas als Kunstwerk auszustellen
und schon ist es eines? Kunst im öffentlichen Raum in Niederösterreich
stellt die station3 (Mariahilferstraße 82) zwar nur noch heute vor, aber
etwa in der Großgemeinde Etsdorf - Haitzendorf stehen die Arbeiten noch
bis 29. Oktober. Den Ortsanfang von Walkersdorf bewacht ein
hyperaktiver Spielzeughund (von Anna Jermolaewa), dessen Kondition nicht
ganz geheuer ist. Über mögliche unerwünschte Wirkungen (bei übermäßigem
Gebrauch kann das Kunstwerk nämlich zu Nervenzusammenbrüchen oder
Amokläufen führen) informiert kein Apotheker. Da hilft nur, wenn man
schnell weitergeht. Das spricht freilich nicht gegen das Opus, das ich für
gelungen halte. Eine Meisterleistung ist Sonja Gangl s Inszenierung
des vorgetäuschten Konzerns "Rebeka", der wohl insgeheim gar nichts
herstellt, sondern nur über einen aufgeplusterten
Selbstdarstellungsapparat verfügt. Was unsereins Telefonterror nennt,
heißt bei anderen optimistisch "Kundendienst": Man wird am Telefon von
Pontius an Pilatus weitergereicht ("Wenn Sie wegen einer Führung im Rebeka
Headquarter hier sind, legen Sie bitte auf und beginnen Sie von vorne,
indem Sie 2 für eine Führung wählen"), um am Ende zum richtigen Formular
navigiert oder schlicht im Wartesessel "entsorgt" zu werden. Vielleicht
wurde hier gerade das wirklich funktionierende Perpetuum mobile erfunden:
Ein Kunde ruft an, und wenn er genug Durchhaltevermögen hat und lange
genug lebt, wird er bis in alle Ewigkeit weiterverbunden.
Erschienen am: 29.09.2000 |
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