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Über die Kunst
des wahren Genießens

16.08.2009 | 17:29 | von Robert Kropf (Die Presse - Schaufenster)

Der Künstler Daniel Spoerri hat ein Faible fürs Essen. Oder besser gesagt: Er hat ein Faible für Essenreste. Der Künstler montiert sie seit mehr als 50 Jahren als Kunstwerke auf Platten. Nun hat er ein Restaurant in Österreich eröffnet, in dem seine Werke zu sehen sind – und in dem man gut isst und trinkt.

Die Überreste einer Mahlzeit, die Gläser, die Teller, das Wirrwarr an Zigarettenstummeln, gebrauchten Servietten und leeren Flaschen. All das verarbeitet Daniel Spoerri zu seinen berühmten „Fallen-Bilder“, die so genannten Tableaux pieges.

Jetzt braucht man für Installationen solcher Art gute Esser, brave Trinker und begnadetet Feierer, um einen Tisch so Unordnung zu bringen, um ein Kunstwerk daraus zu machen. Deshalb ist es schlau von Spoerri, ein Restaurant zu eröffnen, wo sich der Kunst-Mist von selbst ansammelt. In verschlafenen Hadersdorf am Kamp in Niederösterreich, ganz in der Nähe der Wachau, hat Spoerri zwei Häuser am Hauptplatz gekauft, um ein Kunstlager und ein Restaurant zu eröffnen. Während im Haus „Ab Art“ vorwiegend Ausstellungen (nicht nur mit Werken von Spoerri) stattfinden, wird im Haus „Ess-Lokal“ aufgekocht. „Es geht um die Ess-Kunst“, sagt Spoerri, „nicht um die Kochkunst. Mich interessiert die Überlebenskunst. Also, was man überhaupt essen kann, soll oder muss, und was nicht.“

Das klingt interessant, vor allem für die Menükarte: Von der Anfangs-Idee, ein Spezialitätenrestaurant fürs Reste essen zu eröffnen, ist der Künstler wieder abgewichen. Er gab das Ruder einer jungen, talentierten Dame in die Hand: Vanessa Gürtler absolvierte die Slow-Food-Uni in Italien. Gemeinsam mit Ibo Altun in der Küche sorgen sie dafür, dass die Speisekarte einmal die Woche wechselt. Der Mut zum Neuen ist geblieben: „Glocken der Heimat“ etwa heißt das Lammhoden-Ragout mit Orangensalat und Reis. Auch gut: Das aufrecht sitzende, völlig „nackte Stubenküken“, das man mit der Hand zerlegen muss. So wird das eigene Mahl zum Kunstwerk.

Ganz neu ist Spoerris Restaurantidee allerdings nicht. Der Künstler, Mitbegründer der Gruppierung Nouveau Réalisme, gründete schon in den 60er Jahren das Restaurant Spoerri und die dazugehörige Eat Art Galerie in Düsseldorf. Damals verwendete er die Überreste der Essen tatsächlich noch, um damit seine Fallenbilder zu fixieren. Heute ist das nicht mehr der Fall: Wer im Ess-Lokal speist, muss sich keine Sorge machen, dass die eigene gebrauchte Serviette zum Kunstwerk erhoben wird.

Auch einen Shop wird es in Zukunft geben: Die Artikel sollen einen Bezug zum persönlichen Umfeld Daniel Spoerris haben. So gibt es Olivenöl aus dem „Il Giardino di Daniel Spoerri“, das handsigniert und versiegelt bereits als „Oeuvre d`art“ im Centre Pompidou in Paris verkauft wurde, oder ein köstliches Blutorangen-Gelee von den mallorquinischen Orangen-Plantagen der Künstlerin Marina Blanca.

Im gesamten Haus sind natürlich Spoerris Werke ausgestellt: dutzende kleine Collagen – die Eintagskästchen – und der große Fries “Genetische Kette des Flohmarkts“, auf dem der Künstler seinen privaten Fundus von Flohmarktobjekten fixiert und in einen modernen „Pantheon-Fries“ verwandelt hat. Im Foyer des Kinosaals ist die 800 Bände umfassende Kochbuch-Bibliothek des Künstlers untergebracht. Haben wir schon erwähnt, das Spoerri das Essen liebt: „Kochen und Essen ist Teil des Lebenszyklus“, sagt der Künstler. Wie wahr.


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