Die Überreste einer Mahlzeit, die Gläser, die Teller, das Wirrwarr an Zigarettenstummeln, gebrauchten Servietten und leeren Flaschen. All das verarbeitet Daniel Spoerri zu seinen berühmten „Fallen-Bilder“, die so genannten Tableaux pieges.
Jetzt braucht man für Installationen solcher Art gute Esser, brave
Trinker und begnadetet Feierer, um einen Tisch so Unordnung zu bringen,
um ein Kunstwerk daraus zu machen. Deshalb ist es schlau von Spoerri,
ein Restaurant zu eröffnen, wo sich der Kunst-Mist von selbst
ansammelt. In verschlafenen Hadersdorf am Kamp in Niederösterreich,
ganz in der Nähe der Wachau, hat Spoerri zwei Häuser am Hauptplatz
gekauft, um ein Kunstlager und ein Restaurant zu eröffnen. Während im
Haus „Ab Art“ vorwiegend Ausstellungen (nicht nur mit Werken von
Spoerri) stattfinden, wird im Haus „Ess-Lokal“ aufgekocht. „Es geht um
die Ess-Kunst“, sagt Spoerri, „nicht um die Kochkunst. Mich
interessiert die Überlebenskunst. Also, was man überhaupt essen kann,
soll oder muss, und was nicht.“
Das klingt interessant, vor
allem für die Menükarte: Von der Anfangs-Idee, ein
Spezialitätenrestaurant fürs Reste essen zu eröffnen, ist der Künstler
wieder abgewichen. Er gab das Ruder einer jungen, talentierten Dame in
die Hand: Vanessa Gürtler absolvierte die Slow-Food-Uni in Italien.
Gemeinsam mit Ibo Altun in der Küche sorgen sie dafür, dass die
Speisekarte einmal die Woche wechselt. Der Mut zum Neuen ist geblieben:
„Glocken der Heimat“ etwa heißt das Lammhoden-Ragout mit Orangensalat
und Reis. Auch gut: Das aufrecht sitzende, völlig „nackte Stubenküken“,
das man mit der Hand zerlegen muss. So wird das eigene Mahl zum
Kunstwerk.
Ganz neu ist Spoerris Restaurantidee allerdings
nicht. Der Künstler, Mitbegründer der Gruppierung Nouveau Réalisme,
gründete schon in den 60er Jahren das Restaurant Spoerri und die
dazugehörige Eat Art Galerie in Düsseldorf. Damals verwendete er die
Überreste der Essen tatsächlich noch, um damit seine Fallenbilder zu
fixieren. Heute ist das nicht mehr der Fall: Wer im Ess-Lokal speist,
muss sich keine Sorge machen, dass die eigene gebrauchte Serviette zum
Kunstwerk erhoben wird.
Auch einen Shop wird es in Zukunft
geben: Die Artikel sollen einen Bezug zum persönlichen Umfeld Daniel
Spoerris haben. So gibt es Olivenöl aus dem „Il Giardino di Daniel
Spoerri“, das handsigniert und versiegelt bereits als „Oeuvre d`art“ im
Centre Pompidou in Paris verkauft wurde, oder ein köstliches
Blutorangen-Gelee von den mallorquinischen Orangen-Plantagen der
Künstlerin Marina Blanca.
Im gesamten Haus sind natürlich
Spoerris Werke ausgestellt: dutzende kleine Collagen – die
Eintagskästchen – und der große Fries “Genetische Kette des
Flohmarkts“, auf dem der Künstler seinen privaten Fundus von
Flohmarktobjekten fixiert und in einen modernen „Pantheon-Fries“
verwandelt hat. Im Foyer des Kinosaals ist die 800 Bände umfassende
Kochbuch-Bibliothek des Künstlers untergebracht. Haben wir schon
erwähnt, das Spoerri das Essen liebt: „Kochen und Essen ist Teil des
Lebenszyklus“, sagt der Künstler. Wie wahr.