Salzburger Nachrichten am 22. Juli 2006 - Bereich: Kultur
Höllenangstund Gluthitze BERNHARD FLIEHER
D ie sommerliche Hitze erstickt jede gerechte Aufregung. Zwischen
Landgasthof und Strandbad rollen die Karawanen leicht bekleideter
Ablenkungsuchender. In der Stadt bricht Festspiel-Hyperaktivität aus.
Galerien eröffnen Sommerschauen im Stundentakt. Es wird so viel Theater
gemacht, dass sich die Bretter der Kleinstadtwelt biegen unter der Last,
zumindest einen Sommer lang der Mittelpunkt der Welt sein zu wollen. D er
Bürgermeister lädt sich Reich und Schön aus der Provinzwelt (aufgemotzt
durch zugereiste Gäste) ein, schießt ein Feuerwerk in die Luft und tut,
als hätte das etwas mit Kunst zu tun. Elende Wartezeiten vor Eissalons
machen die Wahl aus tausend Sorten noch schwerer. Die Pächter von
Verköstigungsbetrieben an Badeseen demonstrieren ihre Unfähigkeit, in dem
sie versagen, genug gekühlte Getränke auf Vorrat zu haben. A ber weil die
Sonne so brennt, trocknet sie solche Geschwüre aus dem sonst verdächtig
nahe am Überlaufen befindlichen Aufregungsstaubecken. Ist ja Sommer. Alles
easy. Alles lässig. Und den Schweiß der Wahnsinnsjahreszeit duschen wir am
Abend weg wie nichts.E s gibt neben unerträglichen auch neidische Momente.
Diese Woche machte sich die Salzburger Dienststelle der Zentralanstalt für
Meteorologie und Geodynamik, liebevoll abgekürzt ZAMG genannt, einen
schönen, späten Nachmittag. Am Donnerstag war das. Und wer die Wetterseite
dieser Zeitung studiert, hätte wissen können, womit die ZAMG das "Hoch
Bruno" feierte. Am Donnerstag stand auf der Wetterseite als Titel
"Grillwetter". D iesen Vorteil muss man haben! Wer am Vortag weiß, dass
die Sonne durchbraten wird, kann beruhigt die Koteletts marinieren.
Käsekrainer und Schweinsbratwürstl wegen eines überraschenden
Wettereinbruchs in die Tiefkühltruhe.B itte, möge die Wochenendprognose
der ZAMG eintreten. Bitte, möge die prophezeite Gewitterwahrscheinlichkeit
kommen. Dann soll uns rechtzeitig zur Öffnung der Festspielarena eine
Nestroy'sche Höllenangst befallen wegen der brutal gereinigten Luft, die
die Sicht so klar macht. Blöd wär's für jene, die "Jedermann" auf dem
Domplatz sehen wollen. Aber was ist schon der Verlust eines volkstümlichen
Theaterspektakels gegen die anderen Annehmlichkeiten. Und das Beste:
Feuerwerke krepieren im Regen auch! |