29.03.2002 21:45:00 MEZ
Konstruierte Landschaft
Margherita Spiluttini lädt in einem Buch und in einer Ausstellung zum Neu-Erschauen von Landschaft und Technik ein

Die Architekturfotografin Margherita Spiluttini zeigt Bauten in der Natur - in einem Buch und in einer Ausstellung. Sie lädt auch zum Neu-Erschauen von Landschaft und Technik ein.


"Um Landschaft als Landschaft erkennen und als sinnlichen Gesamteindruck erfassen zu können, bedarf es der subjektiven und interpretierenden Anschauung", schreibt Kulturjournalist Wolfgang Kos in seinem Beitrag zu einem neuen Buch der Fotografin Margherita Spiluttini, Nach der Natur. Konstruktionen der Landschaft. Kos schreibt weiter: "Dafür ist wiederum Distanz notwendig, also ein Außenblick, wie er den unmittelbar in der Natur Arbeitenden, ob Bauer, Jäger oder Wegmacher, nicht zur Verfügung steht. Er würde sie in ihrem zweckorientierten und pragmatischen Tun behindern, hat er doch Muße und Genussbereitschaft als Vorbedingungen."

Muße und Genussbereitschaft, und ein anderer, jedoch unverfälschter Blick auf eine vom Menschen zernagte, zersägte, verbetonierte, trotzdem authentische Landschaft - das sind die Zutaten, mit denen die wohl bekannteste österreichische Architekturfotografin, Margherita Spiluttini, ein kunstvolles Schichtwerk konstruiert hat: Zum einen sind im Technischen Museum Wien derzeit die entsprechenden Fotografien zu besichtigen - sorgfältig und liebevoll von der Wiener Architektin Elsa Prochazka quasi gerahmt und in Szene gesetzt. Zum anderen legt Spiluttini besagtes dazugehöriges Buch vor, in dem neben Wolfgang Kos auch noch andere Hochkaräter wie Ilse Aichinger und Friedrich Achleitner zwischen den Fotos rauer Steinbrüche, Erzberge, Felsformationen und Staudammbetonierungen blitzen.

Mit dieser Ausstellung, so die Kuratorin Elisabeth Limbeck-Lilienau, "beschreibt die Künstlerin exemplarisch die Verzahnung von Natur und Technik. Der technische Eindruck tritt in manchen Bildern gänzlich in den Hintergrund, als würde sich die Natur den Fremdkörper einverleiben oder zu einem Dekorelement in der eigenen Inszenierung werden lassen." Auf einem Bild, geschossen in Muthmannsdorf, wächst zum Beispiel wie selbstverständlich ein Heckenröslein zart unter einem erdrückenden Betonwall hervor, und Ilse Aichinger beschreibt den Steinbruch von Wopfing wunderbar folgendermaßen: "Er ist niedrig, schattig und zerklüftet, könnte zu kleineren Höhlen neigen. Das helle Feld an seiner unteren Grenze läßt an Weizen und das Ende des Frühsommers denken." Landschaft, Natur, Mensch sind alles eins.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31.3. / 1.4. 2002)


Quelle: © derStandard.at