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Kunstberichte
Das Haus der Kunst in München präsentiert die detailreichen Arbeiten des US-Künstlers William Eggleston

Demokratische und beängstigende Fotos

Porträt eines Supermarktangestellten. Foto: Eggleston Artistic Trust/Cheim & Read

Porträt eines Supermarktangestellten. Foto: Eggleston Artistic Trust/Cheim & Read

Von Bettina Louise Haase

Aufzählung Eine Glühbirne zentral ins Bild gesetzt, montiert an einer knallroten Decke; am rechten unteren Rand ein Poster mit Piktogrammen, das Beischlaf-Positionen bestimmte Sternzeichen zuordnet: Die ist einer der ganz typischen Schnappschüsse von William Eggleston, der auch das kleinste Detail beachtet. Das Haus der Kunst in München zeigt jetzt 160 Exponate des Fotografen aus den Jahren 1961 bis 2001.

Eggleston wurde 1939 in Memphis, Tennessee, geboren und wuchs bei seinen Großeltern im Städtchen Sumner in Mississippi auf. Der Großvater betrieb Fotografie als Hobby.

Erst auf der Universität wurde Egglestons Interesse für Fotografie geweckt: Mit 20 Jahren entdeckte Eggleston die Publikation "The decisive Moment" von Henri Cartier-Bresson, die fotografische Motive nicht frontal, sondern aus einem schrägen Winkel zeigte und somit den Eindruck von Bildtiefe erzeugte. Cartier-Bresson versuchte, Handlungsabläufe vor der Kamera auf das wesentliche Moment zu reduzieren – und wurde damit zum großen Vorbild Egglestons.

Schon bald fand er eigene Themen in der Umgebung von Mississippi. Erste Stimmungsbilder entstanden, in denen sich der Fotograf mit Entfremdung, Einsamkeit und Sehnsucht auseinandersetzte. In der Kunst hatte bereits Edward Hopper diese psychischen Befindlichkeiten in seinen Bildern dargestellt.

Vorbild für David Lynch

Mitte der 60er Jahre begann Eggleston in Farbe zu fotografieren. Die Farbe veränderte die emotionale Wahrnehmung der Bilder. Ein Beispiel aus dieser Zeit ist das Foto eines Supermarktangestellten, der Einkaufswagen ineinander schiebt. Im Abendlicht erhält das Bild eine eigene Beleuchtung, gleichzeitig wird der ernüchterte Blick auf den amerikanischen Traum aufgeworfen. Nach verschiedenen Farbfotoexperimenten entdeckte Eggleston das "dye-transfer"-Verfahren, den teuersten Abzug vom Diapositiv aus dem Labor. Inzwischen hatte in seinen Momentaufnahmen jedes noch so unscheinbare Detail eine Bedeutung. Er sprach von "democratic camera" und zeigte seinen Betrachtern ein befremdliches Eigenleben in seinen eingefangenen Schnappschüssen.

Die tiefergehende Bedeutung und die beunruhigende Kraft der "Snapshots" schienen über sie hinauszuwachsen. Damit beeinflussten die Fotos auch später den Filmemacher David Lynch, der diese Momente in seinen Filmen spannungsreich ausspielt.

Die besten Fotografien von Eggleston, die das Haus der Kunst in München zeigt, sind stilbildend, weil sie Gegensätze für einen magischen Moment vereinen.

Aufzählung Ausstellung

William Eggleston: Democratic Camera – Fotografie und Video

Haus der Kunst Prinzregentenstraße 1, München http://www.hausderkunst.de Bis 17. Mai

Printausgabe vom Mittwoch, 04. März 2009

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