Feuilleton

Bussi, Bussi. Toll, gell?

19.05.2007 | SN
MARTIN BEHR

ICHgehe gerne auf Vernissagen. Genieße jenen Moment zwischen dem Applaus nach den letzten Worten der Vernissage-Rede und jener ruckartigen Kollektivbewegung im Publikum, deren Ziel das Buffet ist. Ein Moment, der von eigentümlicher Stille geprägt ist. Höchstens verlegenes Räuspern. Und: Einander in die Augen schauen. Wohlwollend. Es ist vorüber: Geschafft. Alles ist gesagt. Von der Pflicht zur Kür. Wie weiter? Ehe das Stimmengewirr einsetzt, höre ich den Satz, auf den alle warten: "Ach ja, das Buffet ist eröffnet." So, oder ähnlich.

Endlich. Ins Zentrum des Raumes eintauchen. Wo es nach Kenzo und Davidoff, Cool Water, riecht. Grüßen, freundlich und nonverbal. Viele Pflichtgrüße. Ich sehe die Ersten, denen es gelungen ist, Spargel, Mini-Schnitzel, Kartoffelsalat und Spinatstrudel auf ihre Teller zu türmen. Welchen Weißwein es gibt? Den herben Welschriesling vom steirischen Nobelwinzer. Bussi rechts, Bussi links. "Toll, gell?" Was jetzt, der Spargel an Sauce Hollandaise? Oder die Kunstwerke, die es heute zu besichtigen gibt?

Ich trinke Nobelwinzerwein und werde gerempelt. Unabsichtlich. Vom Politsekretär, der jenem, der heute eröffnet hat, das Manuskript geschrieben hat. "Hallo! Viel los, was? Wir sehen uns eh noch." Schon ist er weg. Sowas von abgewimmelt. Nun sehe ich jene, die bald ihre Intrigen auspacken und sorgsam strategisch unter den Anwesenden verteilen werden. "Hast schon gehört ..?" Oder: "Du, kann ich vertraulich mit Dir reden?" Das könnte Folgen haben. Weit reichende. Aber die Pilzsuppe, die mundet. Köstlich. "Schön, Dich wieder einmal zu sehen."

Auf Vernissagen dominiert Zielgerichtetheit. Kunstschaffende suchen die Nähe der Galeristen, Direktoren und Kritiker. Vielleicht ergibt sich ja doch eine Ausstellung, eine Beteiligung, ein Bericht. Ich bemerke, wie jene, die verkaufen wollen, vernetzen. Die Nachwuchshoffnung mit der Firmen-Erbin. Die Aufsteigerin mit dem Herrn Stadtrat. Der Philosoph mit dem Jungschriftsteller. Die Kuratorin mit dem Sektionschef. "Darf ich Ihnen noch Wein bringen?" Ich habe Hunger. Aber die Silbertabletts mit Spargel & Co sind leer. Bloß noch Garnierung hier. Weicher Salat.

Das Betriebssystem Kunst ist aktiviert. Auf hoher Stufe. Köchelt nicht, blubbert schon. Ich weiß jetzt, wessen Ehe nicht mehr intakt ist, wer Favorit für die kommende Biennale-Teilnahme ist und warum die Förderung für das Großprojekt ausbleiben wird. Bussi links, Bussi rechts. "Ein Foto, bitte." Mit der Digitalkamera. "Hast Du die Ausstellung schon gesehen?" "Nein, zu viele Leute heute." Ich gehe gerne auf Vernissagen. Und die Erde ist ein flache Scheibe. Martin Behr

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