Trau keinem Apfel! Das sollte mönch im Traum noch verfolgen. Doch ein
mal kurz nicht aufgepasst, schon steckt sie da, die runde Frucht, werden
die Zähne überrascht ins helle Fleisch gebohrt. Mitten in Gottes Haus,
zwischen leeren Kirchenbänken - die Erkenntnis kam zu spät. Trau keinem
Künstler! Oder doch? Das Stift Admont in der Steiermark tut es jedenfalls
und hat sichtlich noch einen Heidenspaß dabei. Immer wieder sind "artists
in residence" eingeladen, sich hier im Stift inspirieren zu lassen.
Zwei Mönche etwa durfte sich Erwin Wurm 2002 für seine
"One Minute Sculptures" ausborgen und entführte sie in seine heiter
absurde Welt: Ob mit dem Apfel im Mund in der Kirche, kniend auf dem Feld,
starr am Holzboden liegend oder gleich mit dem Kopf gegen die Wand
gestemmt. Wurms Welt ist bekannt, die der Mönche wohl weniger und die der
Blinden für Sehende nicht annähernd erreichbar. In der ersten
Sonderausstellung des neuen, Ende Mai eröffneten Admonter Museums finden
alle diese Dimensionen zusammen. Denn "Made for Admont" zeigt neben
Arbeiten von Wurm, Lois Renner, Rudi Molacek und Kurt Ryslavik Kunst, die
speziell für Blinde erfahrbar ist. Die Frage lautete: "Aus den Augen - aus
dem Sinn?" Ein schwieriges Thema, es könnte leicht in Betulichkeit
abdriften, einen mitleidigen Beigeschmack hervorrufen. Aber auch harte,
unfaire Konkurrenz für die rein optisch wahrnehmbaren Werke. Die Mischung
jedenfalls irritiert, ist politisch aber natürlich völlig korrekt, was
dann wieder irritiert. Mit dem Körper erlebbare Kunst bedient nun einmal
auch den Eventcharakter. Und das macht Spaß. Mehr als Molaceks lyrisches
schwarzweißes Fotoporträt über Admont. Und mehr als Lois Renners
illusionistisch collagenhaften Aufnahmen. Doch wie vergleichen?
Spielerisch hat Werner Reiterer einen metallenen Klumpen
mit Knöpfen, Lautsprecher, Spiegel, Tennisball gespickt. Zieht man an der
Filzkugel, zieht man sich auch einen Satz - das richtige Tempo entscheidet
über die Verständlichkeit: "Mehr als 80 Prozent des Universums sind
unsichtbar - wie ich auch". Ein Druckknopf löst ein Echolot aus, ein
anderer einen grellen Blitz aus dem Spiegel. Selber blind, für
Sekundenbruchteile - eine Grenzerfahrung.
Komplizierter und undurchsichtiger die Klang-Installation
von Thomas Baumann. Zwei Tafelbilder übertragen Vibrationen auf den
Körper, ein metallner Koffer - wieder mit Knöpfen - dient als Steuerung:
Frequenzen statt Farben, ein grausamer Ersatz. In der barocken
Klosterbibliothek erzählt Constanze Ruhm eine "Blindstorey" mit
Funk-Kopfhörern. Eine akustische Landkarte aus Texten, Geräuschen und
Stille.
Klick, ein Mönch fotografiert die Ausstellungsbesucher.
Ein ganzes Kloster, infiziert von der Kunst des Jetzt. Wie es schon immer
war, wie es auch heute üblich sein könnte. Ist es nicht. Es ist die
Ausnahme, genau wie die Qualität dieser Auftragsarbeiten. Ihnen wurde kein
frömmelnder Respekt abverlangt. Er konnte sich von selbst einstellen.
Bis 31. Oktober. Di.-So. 10-17 Uhr.
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