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19.08.2003 - Ausstellung
Ausstellung: Der Mönch und der Apfel
Zeitgenössische Kunst im und für das Stift Admont: Ohne Respekt dient es sich bei weitem lustiger.
VON ALMUTH SPIEGLER


Trau keinem Apfel! Das sollte mönch im Traum noch verfolgen. Doch ein mal kurz nicht aufgepasst, schon steckt sie da, die runde Frucht, werden die Zähne überrascht ins helle Fleisch gebohrt. Mitten in Gottes Haus, zwischen leeren Kirchenbänken - die Erkenntnis kam zu spät. Trau keinem Künstler! Oder doch? Das Stift Admont in der Steiermark tut es jedenfalls und hat sichtlich noch einen Heidenspaß dabei. Immer wieder sind "artists in residence" eingeladen, sich hier im Stift inspirieren zu lassen.

Zwei Mönche etwa durfte sich Erwin Wurm 2002 für seine "One Minute Sculptures" ausborgen und entführte sie in seine heiter absurde Welt: Ob mit dem Apfel im Mund in der Kirche, kniend auf dem Feld, starr am Holzboden liegend oder gleich mit dem Kopf gegen die Wand gestemmt. Wurms Welt ist bekannt, die der Mönche wohl weniger und die der Blinden für Sehende nicht annähernd erreichbar. In der ersten Sonderausstellung des neuen, Ende Mai eröffneten Admonter Museums finden alle diese Dimensionen zusammen. Denn "Made for Admont" zeigt neben Arbeiten von Wurm, Lois Renner, Rudi Molacek und Kurt Ryslavik Kunst, die speziell für Blinde erfahrbar ist. Die Frage lautete: "Aus den Augen - aus dem Sinn?" Ein schwieriges Thema, es könnte leicht in Betulichkeit abdriften, einen mitleidigen Beigeschmack hervorrufen. Aber auch harte, unfaire Konkurrenz für die rein optisch wahrnehmbaren Werke. Die Mischung jedenfalls irritiert, ist politisch aber natürlich völlig korrekt, was dann wieder irritiert. Mit dem Körper erlebbare Kunst bedient nun einmal auch den Eventcharakter. Und das macht Spaß. Mehr als Molaceks lyrisches schwarzweißes Fotoporträt über Admont. Und mehr als Lois Renners illusionistisch collagenhaften Aufnahmen. Doch wie vergleichen?

Spielerisch hat Werner Reiterer einen metallenen Klumpen mit Knöpfen, Lautsprecher, Spiegel, Tennisball gespickt. Zieht man an der Filzkugel, zieht man sich auch einen Satz - das richtige Tempo entscheidet über die Verständlichkeit: "Mehr als 80 Prozent des Universums sind unsichtbar - wie ich auch". Ein Druckknopf löst ein Echolot aus, ein anderer einen grellen Blitz aus dem Spiegel. Selber blind, für Sekundenbruchteile - eine Grenzerfahrung.

Komplizierter und undurchsichtiger die Klang-Installation von Thomas Baumann. Zwei Tafelbilder übertragen Vibrationen auf den Körper, ein metallner Koffer - wieder mit Knöpfen - dient als Steuerung: Frequenzen statt Farben, ein grausamer Ersatz. In der barocken Klosterbibliothek erzählt Constanze Ruhm eine "Blindstorey" mit Funk-Kopfhörern. Eine akustische Landkarte aus Texten, Geräuschen und Stille.

Klick, ein Mönch fotografiert die Ausstellungsbesucher. Ein ganzes Kloster, infiziert von der Kunst des Jetzt. Wie es schon immer war, wie es auch heute üblich sein könnte. Ist es nicht. Es ist die Ausnahme, genau wie die Qualität dieser Auftragsarbeiten. Ihnen wurde kein frömmelnder Respekt abverlangt. Er konnte sich von selbst einstellen.

Bis 31. Oktober. Di.-So. 10-17 Uhr.



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