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22.05.2003 19:38

Wollüstig-kritische Kriegswahrnehmung
Eine Gratwanderung: Die Ausstellung zu "Attack! Kunst und Krieg in den Zeiten der Medien" in der Wiener Kunsthalle

Eine Gratwanderung zwischen Gegenbildern und Affirmation wagt die - mit aktuellen Arbeiten von über 30 Künstlern bestückte - Ausstellung der Wiener Kunsthalle "Attack! Kunst und Krieg in den Zeiten der Medien".




Wien - Antonio Riello bekam tatsächlich ein Angebot von einer Waffenfirma. Der Künstler hatte Pistolen und MPs aller Art persiflierend zu "individuellen" Lifestyle-Objekten designt, Modelle strassbesetzter, bunter Handgranaten mit Frauennamen versehen. Die Offerte der Kriegsindustrie zeigt hier eine Variante der Vereinnahmung von "Kunst" in der Militainment-Westwelt.

Gleichzeitig überklug und ohnmächtig begegnet man auch den überlieferten Bildern, zu denen die Künstler, an echten Bildern desinteressiert, Gegenwelten schaffen sollten, Alternativen. Ist dies nicht mehr als eine weitere Facette der "Militarisierung der Wahrnehmung unter der Maske der Kriegsgegnerschaft", wie Filmtheoretiker Georg Seeßlen anmerkt? "Der barbarische Krieg schreibt sich wollüstig in unsere Wahrnehmung ein": Seeßlen spricht vom "militärischen Empörungssex", der sich später in einer offenen Form der "Warnography" äußert.

Ausstellungen über Krieg und Kunst sind derzeit hip wie Camouflage-Hosen (mit der Aufschrift "US-Army", gesehen bei Turek, Wien) und wandern hart am Grat zwischen Gegenbildern und Affirmation.

Was ist an Collier Schors historisierenden Schwarz- Weiß-Bildern von jungen Soldaten so anders als an den Vor- Bildern? Wolfgang Tillmans Foto des unheroisch von der Seite aufgenommenen Militärs könnte aus einer x-beliebigen Reportage stammen. Diese Beispiele liefert die in jedem Sinn aktuelle Ausstellung über Kunst und Krieg in Zeiten der Medien in der Kunsthalle Wien.

Der Zeitpunkt für Attack!, lange geplant vor dem Irakkrieg, aber nach 9/11, wie die Kuratoren Gabriele Mackert und Thomas Mießgang versichern, ist leider unglücklich. Überdrüssig der pausenlosen den Gesamtblick verstellenden Nahaufnahmen, bestätigt sich hier die These von der Militarisierung der Gesellschaft. Afghanische Teppiche integrieren nun auch Waffenmotive.

Wenn ungeschnittene Nachtkameraaufnahmen eines einzelnen "Ereignisses" von vier verschiedenen Sendern gleichzeitig projiziert werden, bringt das im Grunde keinen Neugewinn, nur die Erkenntnis, dass Krieg langweilig ist im Gegensatz zum Terrorismus. Andererseits glauben viele, alle Bilder verstanden und zu Tode kommentiert zu haben, bevor sie überhaupt gesendet wurden. Plakative, aggressive Werke wie die des in Paris lebenden Chinesen Wang Du (Parade) kontrastieren die absurd-komischen Zeichnungen des Bulgaren Nedko Solakov - wohl einer der erhellendsten Beiträge zu Attack!.

Wang Du bildet Skulpturen Zeitungsausschnitten nach, dementsprechend verzerrt oder abgeschnitten. Mediengeilheit, mit der Blut und Tod snuff-mäßig konsumiert werden können, persifliert der serbische Künstler Uros Djuric mit fingierten Zeitschriftencovern, auf denen Krieg, Porno und Popkultur verschwimmen.

Erasmus Schroeter taucht aufgelassene Miltärbunker in romantisch-kitschiges Licht. In der Eingangshalle prangen Klaus Pobitzers riesige Prints von hippen Youngstern mit Waffen-Accessoires. Jede Fernsehillustrierte hat mindestens zwei Fotos von Frauen mit gezückter Kanone vorzuweisen, diese Arbeit fällt nicht weiter auf. Dokumentarische Versuche von Gegenöffentlichkeiten machen etwa Ren´ee Green, Oliver Ressler und Martha Rosler.

Über allem prangt Richard Hamiltons prophetisches Bild War Games<7i>, entstanden anlässlich des ersten Irakkrieges. "Kuwait/Iraq" zeigt das gemalte TV-Bild, unter dem Fernseher rinnt Blut heraus. Schlusseinstellung für eine erfolgreich gescheiterte Ausstellung. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.5.2003)


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