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Kunst, die wie Alltag aussieht

28. April 2011, 18:02
  • Artikelbild: Julie Hayward wendet spontane Verfahren an: Vor dem MQ wird ihre 
surrealistisch anmutende Skulptur "Rezeptor" zu sehen sein. - Foto: staudingerstelzhammer
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    Julie Hayward wendet spontane Verfahren an: Vor dem MQ wird ihre surrealistisch anmutende Skulptur "Rezeptor" zu sehen sein.


Unter dem Motto "The Art to Innovate" setzen sich Künstler wie Erwin Wurm, Peter Kogler oder Gunter Damisch mit dem Werkstoff Plastik auseinander

Zu sehen sind ihre "AirWorks" ab Mai vor dem MQ.

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Wien - Seit Mitte April werden Besucher des Museumsquartiers (MQ) mit einem nicht ganz alltägliches Bauwerk konfrontiert: Vor der U2-Station Museumsquartier steht das sogenannte Flederhaus, ein Kunstobjekt aus Holz.

Statt der nachtaktiven Säugetiere hängen in den fünf Ebenen des Hauses Hängematten, die nicht nur Nachtschwärmer, sondern auch von Sightseeing oder Einkaufstouren erschöpfte Passanten buchstäblich zum Abhängen einladen. Ein Symbol für Nachhaltigkeit will das vom Architektenteam heri&salli entworfene Holzhaus sein, für "energieeffizientes, ökologisches und wohngesundes Bauen".

Am 3. Mai wird das Flederhaus Gesellschaft bekommen - aber mit Nachhaltigkeit und Ökologie würde man die zukünftigen Nachbarn nicht in Verbindung bringen: Insgesamt 16 Kunststoffskulpturen werden auf dem MQ-Vorplatz gezeigt, aufgeteilt in drei Etappen.

Initiiert hat das Kunstprojekt AirWorks die Firma Borealis, ein Anbieter von Kunststoffen und Basischemikalien, der zu Teilen der OMV gehört. Eine Imagekampagne für den spätestens seit Filmen wie Plastic Planet übel beleumundeten Werkstoff? Das Projekt ist älter als der Film, sagt Kerstin Meckler von Borealis. Initiiert wurde AirWorks bereits für die Europäische Kulturhauptstadt Linz, wo es 2009 präsentiert wurde.

"Die Vielseitigkeit und Innovationskraft" in Kunststoffen wollte Vorstandsvorsitzender Mark Garrett von Künstlern austesten lassen. Kurator Edelbert Köb bat 17 namhafte Künstler wie Dorothee Golz oder Marko Lulic, sich mit dem Werkstoff Plastik auseinanderzusetzen. Köb interessierte speziell die technische Seite: "Wie die Künstler das realisieren."

Auch das Ausstellen im öffentlichen Raum war dem früheren Mumok-Direktor Köb ein wichtiger Aspekt: "Wie erkenne ich im Alltag - sprich: im öffentlichen Raum - Kunst, die wie Alltag aussieht -, zum Beispiel wie Werbung?"

Für Künstler Gunter Damisch, dessen Flämmler sich Anfang Mai vor dem MQ in die Luft erheben wird, besitzt die Schau einen gewissen Eventcharakter. Aber: "Man braucht da gar nicht so arrogant sein. Es ist eine Möglichkeit, Kunst an öffentliche Orte zu bringen, sie sichtbarer zu machen."

Annäherung ans Schwerelose

Damisch wurde in den 1980er-Jahren als einer der "Neuen Wilden" bekannt. In einer frühen Arbeitsphase entstanden die sogenannten Steher: massive, im Boden verankerte Figuren. Später kamen die Flämmler hinzu, scheinbar schwebende, extremitätenlose Gebilde. Es sind Themen wie Schwere, Schwerkraft und damit verbundene Körpererlebnisse, die Damisch interessieren.

Wichtig ist ihm dabei die Dreidimensionalität, die Anfrage von Edelbert Köb kam da genau recht. "Die Flämmler als schwere Skulpturen zu gießen, das wäre ja ein Anachronismus gewesen. Natürlich weiß ich, was mit dem Werkstoff Plastik verbunden ist. Aber es war für mich eben auch eine Möglichkeit, mich dem Schweben anzunähern."

In der Arbeit von Karl-Heinz Ströhle und dem 2010 verstorbenen Martin Strauss geht es nebenan weniger schwerelos zu. In ihrer langjährigen Zusammenarbeit benutzten die beiden häufig aufblasbare Skulpturen als Medium, etwa 2006 in Rette sich wer kann: Überdimensionierte, aufblasbare Schwimmflügel gemahnten damals an das sinkende Schiff des Kapitalismus in der Wirtschaftskrise und an die Das-Boot-ist-voll-Rhetorik einer entsolidarisierten Gesellschaft.

Die aktuelle Arbeit nutzt das Mittel der unsinnig großen, an marktschreierische Werbung erinnernden Plastikskulptur. Der knallrote, monströse Boxhandschuh trägt den Titel des Werks - We Got The Power - nicht nur in großen Lettern zur Schau, er brüllt ihn geradezu in die Welt hinaus.

Nicht nur das penetrante Aufmerksamkeitsheischen der Werbung wird hier thematisiert, sondern auch die alltägliche Sicht auf Erfolg und Misserfolg - etwa im Bereich des (Profi-)Sports. Infrage gestellt wird eine Welt, in der Erfolg notwendigerweise mit Ruhm, Macht und Geld gleichgesetzt wird, während Misserfolg als persönliche und verachtenswerte Schwäche gilt.

Atomium oder Blähung

So brutal der rote Boxhandschuh, so subtil die Arbeit Rezeptor von Julie Hayward: Ihre beiden miteinander verbundenen Trichter erinnern an Geräte, die Kinder gerne bauen: Zwei Becher, eine Schnur, und schon kann man kommunizieren. Hayward geht es um die Kommunikation von Innen und Außen.

Mit der Methode des automatischen Schreibens will sie ihren geistigen Vorstellungen möglichst unvermittelt näherkommen. Zwei weitere Arbeiten werden im ersten Durchgang von The Art to Innovate zu sehen sein: Lukas Beltrames Die laufende Banane und Hans Kupelwiesers Flatulenz. Letztere spielt vergnügt mit dem Zweideutigen: Ein Atomium? Oder doch nur eine Blähung? (Andrea Heinz/ DER STANDARD, Printausgabe, 29.4.2011)

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