Ausstellungen von Tacita Dean und Florian Pumhösl im Museum moderner Kunst
Die Interpretation der Linie
|
Tacita Dean, aus der vierteiligen Fotoarbeit "The Line of Fate", 2011. Foto: Tacita Dean
|
Von Manisha Jothady
![Aufzählung Aufzählung](00092603-Dateien/wzfeld.gif)
Abstrakte Filme und "gezeichnetes Licht".
![Aufzählung Aufzählung](00092603-Dateien/wzfeld.gif)
Das Mumok zeigt eine Doppelausstellung.
Wien. Keine
Blockbusterausstellungen locken derzeit ins Museum moderner Kunst
(Mumok). Die Präsentationen von Tacita Dean und Florian Pumhösl richten
sich an ein Theorie-versiertes Publikum, das auch gerne länger als zehn
Minuten vor einer Filminstallation verweilt. Während die in Berlin
lebende Britin Dean die Halle neben dem Eingangsbereich bespielt,
signalisiert der Österreicher Pumhösl schon mit seinem
Ausstellungstitel "678", in welchen Stockwerken seine Kunst zu sehen
ist.
Auf Ebene 8 hat er die Klassische-Moderne-Sammlung des Museums
reorganisiert. Die beiden Etagen darunter choreographiert er in der für
ihn typischen reduktionistischen Weise mit jüngst entstandenen eigenen
Arbeiten.
"Diminution" nennt Pumhösl seinen 48-teiligen Zyklus von
hochformatigen Hinterglaszeichnungen. Die meisten davon sind nur mit
ein, zwei schwarzen Strichen oder Kurven versehen. In der klinisch
ausgeleuchteten Atmosphäre des Raums lesen sie sich wie musikalische
Notationen. Schon Kandinsky und seine Zeitgenossen wussten vom Klang
der Bilder, formten rhythmische Bewegungen und Töne zu Punkt, Linie und
Fläche.
White Cubes, Black Boxes
Florian Pumhösl, der in seinem Schaffen stets über das Formvokabular
der ersten Moderne reflektiert, mag sich mit dieser Arbeit darauf
beziehen. Gleichzeitig spielt er mit musealen Präsentationsformaten,
wenn er die Aura des White Cubes jener von Black Boxes gegenüberstellt.
In Letzteren entfalten sich seine beiden Filminstallationen. Auch sie
zeugen von der minimalistischen Strenge und der Recherchelastigkeit von
Pumhösls Kunst. Frühbarocke Tanznotationen liefern den Anhaltspunkt für
den einen, die Abstraktionen Alexander Rodtschenkos und Jackson
Pollocks jenen für den anderen. Immer sind es Linien oder
Liniengemenge, die Pumhösls Arbeiten strukturieren – Elemente, die auch
den inhaltlichen Überbau für Tacita Deans Ausstellung liefern.
In ihren Filmen, Fotografien, Kreide- und Alabasterzeichnungen
spielt auch sie auf die Linie und deren unterschiedliche
Interpretierbarkeit als Schicksalslinie, als Markierung räumlicher
Grenzen und zeitlicher Abläufe an. Faszinierend etwa ihre
Kaltnadelstiche auf Alabaster. Sie lassen an die Furchen und Adern der
Hand-Innenfläche denken, suggerieren körperliche Vergänglichkeit. Als
schwer zugänglich erweisen sich dagegen die zahlreichen Diagramme, mit
denen Dean schwarze Kreidetafeln überzieht. Die Arbeiten erinnern an
Storyboards, deren Erzählung sich jedoch nicht entschlüsseln lässt. Nur
in den als "Sea Inventory Drawings" betitelten Tafeln scheint sich
nachvollziehbar Dramatisches zu ereignen. Die Künstlerin griff hier auf
historisches Fotomaterial von einem Schiffsunglück zurück.
Poetische Porträts
Dean, das macht die Schau klar, spielt verschiedene Techniken des
Aufzeichnens durch und meint damit auch immer bestimmte Formen des
Bewahrens. Wie sehr sie sich in diesem Sinne für private Utopien
interessiert, lassen ihre filmischen Künstlerporträts erahnen. Eines
ist etwa dem 2009 verstorbenen Merce Cunningham gewidmet. Ein anderes
zeigt Claes Oldenburg, wie er das Inventar seines berühmten "Mouse
Museums" sortiert. Mit der konventionellen Form der Darstellung im
Dokumentarfilm haben diese filmischen Porträts allerdings wenig gemein.
Unvergleichlich poetischer sind sie und kreisen thematisch vor allem um
eines: den künstlerischen Arbeitsprozess.
Für diesen steht auch ein weiteres Exponat, das man allerdings
leicht übersehen könnte. Es gibt den Schneidetisch von Roman Polanski
zu sehen, in seiner Zeit als Regisseur in Polen. Das Bild im
Postkartenformat berührt, stimmt nostalgisch. Dadurch ist es viel
zugänglicher als so manch anderes Stück in dieser Schau.
* Florian Pumhösl: "678"; Tacita Dean:
"The Line Of Fate". Beide Ausstellungen im Mumok, noch bis 29. April;
http://www.mumok.at *
Printausgabe vom Dienstag, 15. März 2011
Online seit: Montag, 14. März 2011 19:58:00