MEINUNG Aufforderung zum Schenken
VON WALTER FINK
Wenn man irgendwo
auf der Welt ein großes Museum besucht, dort die ständige Sammlung
betrachtet, dann sieht man, daß ein Teil der Bestände aus Schenkungen
kommt. Das ist so im Kunsthaus in Zürich, das ist so im British Museum
oder in der Tate Gallery in London, das ist auch so im Museum of Modern
Art in New York. Und ebenso fast überall sonst. Man kann das auch bei
großen Ausstellungen verfolgen: Etwa vor kurzem bei der Picasso-Schau
in der Albertina, zu der Leihgaben aus der ganzen Welt, auch aus vielen
Museen geholt wurden. In den Angaben zum jeweiligen Bild stand immer
wieder, wer dieses Werk dem jeweiligen Museum geschenkt hatte. Gleiches
bei der Londoner Ausstellung zu Auguste Rodin. Überall der Hinweis auf
das leihgebende Museum und auf jene Personen, die das Kunstwerk zum
Geschenk gemacht hatten. Die Museen der Welt könnten nicht leben,
würden sie nicht von kunstsinnigen, aber eben auch finanzkräftigen
Menschen mit entsprechenden Schätzen beschenkt werden. Auch in
Vorarlberg kann man auf Schenkungen verweisen. Das Landesmuseum macht
in einer Ausstellung im März drauf aufmerksam. Anlaß ist das
150-Jahr-Jubiläum des Vorarlberger Landesmuseumsvereins, aus dem das
Museum hervorgegangen ist. Historisch und kulturhistorisch wissende und
interessierte Menschen, darunter auch nach Vorarlberg gekommene
Industrielle wie etwa der Textilunternehmer Samuel Jenny, begannen
damals, sich mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte zu befassen.
Sie untersuchten erstmals auf wissenschaftlicher Ebene die römische
Besiedlung in Vorarlberg, sie forschten und sie sammelten. Die daraus
entstandene Sammlung war dann der noch heute wichtigste Grundstock für
das Landesmuseum - die erste, die bisher wohl auch wichtigste
Schenkung. Nun wird das
Landesmuseum "Die schönsten Schenkungen" zeigen. Und bei Durchsicht der
Bestände zeigte sich offensichtlich, daß die neuere Zeit nicht
ausreichend präsent ist. So verfiel der Direktor des Museums, Tobias
Natter, auf eine einigermaßen ausgefallene Idee. Er schrieb an wenige
ausgewählte Künstler und stellte die Frage, ob sie nicht bereit wären,
dem Museum eine repräsentative Arbeit zu überlassen. Sie wären dann
auch - sicher nicht zu ihrem Nachteil - in der kommenden Ausstellung
damit vertreten. Dieser Brief machte die Runde - und sorgte auch für
Aufregung. Denn warum, so war die Überlegung, sollten eigentlich
Künstler dem Museum, also der Öffentlichkeit, eine Schenkung machen?
Umgekehrt wäre doch eigentlich der richtige Vorgang. Eine
Öffentlichkeit müßte dazu schauen, daß sie von den wesentlichen
Vertretern der Kunst entsprechende Arbeiten aus den verschiedenen
Schaffensperioden ankauft, um sie auch für die Zukunft in ihrer
Sammlung zu haben. Künstler sind ja bekanntermaßen nicht so mit
finanziellen Mitteln gesegnet, daß sie Schenkungen machen können. Und
schon gar nicht sollte es so sein, daß jene in den öffentlichen
Sammlungen vertreten sind, die solche Schenkungen machen können. Das
würde ja bedeuten, daß man sich in die Sammlung des Landesmuseums
einkaufen könnte - auf weitere Sicht gedacht wäre das eine Verfälschung
der kunsthistorischen Wahrheit. Und nicht zuletzt: Ein Brief des
Direktors des Vorarlberger Landesmuseums erzeugt Druck - ob er das will
oder nicht. Schließlich will kein Künstler mit dem Direktor ein
schlechtes Verhältnis. Also gibt man halt etwas, wenn der Wunsch so
nachhaltig geäußert wird. Zur Klarheit: Ein
Museum kann sich durchaus um Schenkungen bemühen. Das ist ein heute
wahrscheinlich sogar notwendiger Weg. Die Ansprechpartner solcher
Wünsche dürfen aber nicht die Künstler sein. Dazu gibt es
Institutionen, gibt es Unternehmen, gibt es auch Familien, die sich
einen Platz in den Säulenhallen der Museen sichern wollen. Das ist
ehrenhaft, das ist auch im Sinne der Sache sinnvoll. Aber die Künstler
möge man verschonen. Zumindest in Zukunft. * * *
Die Meinung des Gastkommentators muss
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sie in der alten Rechtschreibung.
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