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03.03.2004

Umstrittener Otto Muehl in Wien
Heute startet im Museum für Angewandte Kunst – kurz MAK – in Wien eine Retrospektive zum Werk Otto Muehls. Schon im Vorfeld löste die Schau über den Wiener Aktionisten und Kommunegründer heftige Debatten aus. So polemisiert Muehl in einem Interview der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" erneut heftig gegen Österreich: "Die Österreicher sind alle Idioten. Ein Drittel Nazi. Die Ewiggestrigen. Wirklich ein komisches Land. Ich krieg geradezu einen Ekel. Österreicher zu sein ist eine Beleidigung."

Parallel dazu veröffentlicht das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" neue Anschuldigungen wegen Kindermissbrauchs gegen Muehl. In einer eidesstattlichen Erklärung beschuldigen zwei Frauen den Kommunegründer, dass er sie als kleine Kinder zu sexuellen Handlungen gezwungen habe. So habe eine der beiden als Fünfjährige, umringt von der Führungsmannschaft der Kommune auf dem Friedrichshof, Muehl sexuell befriedigen müssen. In dem Interview der "Zeit" beteuert Muehl dagegen, nur mit geschlechtsreifen Partnerinnen verkehrt zu haben, die auf ihn zugekommen wären. Zur Zeit des Prozesses seien dann beide Frauen von Ex-Kommunarden gezwungen worden, nicht gegen Muehl auszusagen. Die Ausstellung über Muehl hinterlässt nun bei den Frauen tiefe Verstimmung: "Es darf doch nicht wahr sein, dass Otto Muehl nach dem, was er den Kindern vom Friedrichshof angetan hat, ins Museum kommt und viele von uns mit den psychischen Schäden, die er uns zugefügt hat, in der Klapse enden."

Auch unter den Politikern erregt die Retrospektive Unmut. So fordert der Kultursprecher der FPÖ Eduard Mainoni von Peter Noever, Direktor des MAK, aus "Respekt vor den Opfern" die Absetzung der Schau. Mainoni will dies nicht als Angriff auf die Freiheit der Kunst verstanden wissen: "Ob Muehl ein Künstler ist oder nicht, mag die Nachwelt entscheiden." Ihm gehe es um den Respekt vor den Opfern. "Erschwerend" komme hinzu, so Mainoni, dass der Künstler bis heute "auch nicht das geringste Anzeichen von Reue zeige". Obwohl die Schau neben einem Schwerpunkt auf dem malerischen Œuvre Muehls auch auf die "Aktions-Analytische Organisation", aus der dann später die berüchtigte Kommune am Friedrichshof wurde, eingeht, hält Noever an ihr fest: "Wir müssen die Ausstellung jetzt einfach machen, danach kann man über die Geschichte reden." Es gehe um die Kunst von Muehl, nicht um den Künstler.

Peter Pitzinger Familienreferent und Sektenbeauftragte der niederösterreichischen Landesregierung sieht das anders. In einer Stellungnahme ließ er veröffentlichen, dass Muehl nicht irgendein Künstler sei, über dessen "Kunstwerke" man zwar streiten könne, der ansonsten aber unauffällig sei. "Muehl ist nicht nur in seiner Zeit als so genannter 'Wiener Aktionist' mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt geraten, sondern auch als 'Guru' einer sektenähnlichen Kommune verhaftet und wegen Unzucht mit Minderjährigen und anderer Delikte zu sieben Jahre Gefängnis verurteilt worden. Wird nun seine Kunst ausgestellt und bewundert, so dient das ihm persönlich und der staunenden Öffentlichkeit als Rechtfertigung seiner Lebenssicht und seiner künstlerisch verbrämten strafbaren Handlungen." Auch Muehl selbst lehnt es in dem Interview in der "Zeit" ab, sein Werk und sein Leben zu trennen.

Die Ausstellung "Otto Muehl. Das Leben ein Kunstwerk. Aktion - Utopie - Malerei 1960-2004", die erstmals einen Gesamtüberblick über das künstlerische Werk Muehls angefangen bei den Materialbildern und Collagen der 1960er Jahre über die zeitgleichen Aktionen bis hin zur Malerei von den Anfängen bis heute bietet, läuft vom 3. März bis zum 30. Mai. Das MAK ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, dienstags sogar bis 24 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 7,90 Euro, ermäßigt 4 Euro und jeden Samstag kommt man kostenlos ins Museum. Das MAK hat auf seinen Online-Seiten unter www.mak.at ein Diskussionsforum zur Ausstellung eingerichtet. Unter der Seite www.re-port.de stellen ehemalige Mitglieder der Kommune Friedrichshof ihre Sicht auf das Leben und die Kunst Muehls als Protest gegen die MAK-Schau zusammen.

Museum für angewandte Kunst
Stubenring 5
A-1010 Wien

Telefon: +43 (0)1 – 711 360
Telefax: +43 (0)1 – 713 10 26

Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching
03.03.2004, Otto Muehl: Das Leben ein Kunstwerk. Aktion-Utopie-Malerei 1960-2004Veranstaltung vom:
Otto Muehl: "Österreicher zu sein ist Beleidigung"Bericht:
Künstler: Otto Muehl
Otto Muehl, Otto Muehl, 1989140