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09.07.2003 - Ausstellung
Das nackte Nichts
Die Bawag Foundation zeigt mit William N. Copley ein Missing Link zwischen Surrealismus und Pop Art.
VON ALMUTH SPIEGLER


Nackte Frauen, bis oben zugeknöpf te Männer, der Oberförster begattet Venus. Sex, Strapse, schwüle Fantasien, die Frau als Spielzeug in der Schneekugel, wie eine Puppe auf der Couch des Psychoanalytikers. Alles Bilder, die heute nicht mehr unkommentiert das Auge passieren sollten, Feminismus hin oder her, Kunstgeschichte rauf oder runter. Hier geht es nicht um nacktes Fleisch, sondern um die Frau als pures Lustobjekt. Die Retrospektive auf William N. Copley (1919 bis 1996) verwundert in der Bawag Foundation. Nicht der geringste kritische Ansatz wird in Ausstellung und Katalog, kuratiert und geschrieben von Johannes Gachnang, berücksichtigt! Die Inhalte werden als "Herrenwitze" verniedlicht, wird Copley schließlich als Vorläufer der Pop-Art gehandelt.

1947 begann der reiche New Yorker Playboy und Surrealismus-Sammler, der sich zuvor erfolglos als Galerist in Beverly Hills versucht hatte, pseudo-naiv zu malen, orientierte sich an der Comic-Ästhetik. Umrisse wechseln sich mit Flächen und dekorativem Hintergrund ab, zu Beginn der 70er Jahre entdeckte er für sich die Graffiti-Sprayer. Ein Stil, mit dem später Keith Haring clever Erfolge feierte - allerdings mit kritischerem Inhalt als bei Copley. Dieser sammelte seine simple Ikonografie im Paris der 50er und 60er Jahre zusammen, Toulouse-Lautrec machte es ihm eleganter vor.

Alles nur Reaktion auf ein reiches, erzkonservatives (Adoptiv-)Elternhaus? Traurige Erklärung. Bemerkenswerter als seine künstlerische Leistung war Copleys eigene Sammlertätigkeit, sein Mäzenatentum, das ihm Eingang in die Kreise der Surrealisten verschaffte. Immerhin konnte er Magrittes Ikone "C'est ne pas une pipe" sein Eigen nennen, organisierte die heute hoch gehandelte Publikation SMS (Shit Must Stop), 1968/1969, mit Multiples von Marcel Duchamp, Bruce Naumann, Roy Lichtenstein u. a., ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.

Selten traf der Satz "What you see ist what you see", den Frank Stella 1966 prägte, ein Werk besser als das Copleys.

Bis 7. September. Täglich 10 bis 18 Uhr.



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