Ein Opfer seiner Ballaststoffe
Von Claudia Aigner
Wir erinnern uns: Es war einmal ein böser Wolf. Der bekam
sechs von insgesamt sieben Geißlein in seine Verdauungsgewalt, sprich: Er
hat sie gefressen. Dann wurde er per "Kaiserschnitt nach
Schneiderlein-Art" (nämlich mit Hilfe einer simplen Schere) seines Essens
entbunden und stattdessen mit Wackersteinen künstlich ernährt, die ihm
also hineinoperiert wurden. Und schließlich (nachdem er nichts von der
Operation am offenen Magen mitbekommen hatte, obwohl es kein Anästhesist
gewesen war, der ihn in den Verdauungsschlaf versetzt hatte) wurde er
Opfer seiner Ballaststoffe. Kurz: Plumps und platsch. Und ebendieser
glücklose Pionier auf dem Gebiet der ballaststoffreichen Ernährung (Motto:
"Was rumpelt und pumpelt in meinem Bauch herum?") hat den Schmuckkünstler
Theo Smeets inspiriert: "The Weight of Stone." Bis 12. April bei V & V
(Bauernmarkt 19). Schmuckkünstler? Dann kann es sich ja nur um
Einweg-Diamanten zur Nahrungsergänzung handeln (drei Stück nach jeder
Mahlzeit, oder so, als Ballaststoffe für Stinkreiche). Weit gefehlt. Es
ist also zu früh für "Diamantenwäscher", also dafür, die Kanalisation in
diversen Villenvierteln mit Nudelsieben unsicher zu machen. Denn wo andere
zu Edelsteinen greifen würden, da ist dem Theo Smeets sowieso nach
Ziegelsteinen. "Als ich angefangen habe, Ziegelsteine zu schleifen, haben
mich alle für verrückt erklärt." (Smeets ist übrigens Professor für
Schmuckdesign in Idar-Oberstein. Und versteht sich auf reizvoll gewagte
Materialkombinationen. Immer technisch präzise und unaufdringlich
perfekt.) Die Kette "Der Wolf und die sieben Geißlein": Ziegelsteine
und sieben Plastikgeißlein. Erstere nicht in der Häuslbauergröße. Zum
aktionismusverdächtigen Kippeffekt, wenn man sich hungrig übers Büffet
beugt, kommt es folglich nicht. Bleibt bloß eine Frage (weil man noch
immer drei Finger übrig hat, nachdem man sich die Protagonisten der Kette
an seinen zehn Fingern abgezählt hat): "Und wo ist der Wolf?" Darauf kann
der Träger der Kette nur antworten: "Komm halt ein bissl näher und zähl
noch einmal genau nach. Damit ich dich besser fressen kann." Und der
makellose, bleischwere Halsschmuck aus "Riesenbrillanten" aus Metall? Der
ist praktisch ein Manifest (oder ein Bosheitsakt), misst man doch im
Edelsteingewerbe in Karat und nicht in Kilo. Fast drei Kilo übrigens.
Freude durch Muskelkraft: Franz Kapfer (bis 2. April in der
Fotogalerie, Währinger Straße 59) posiert naiv-heroisch und in klassischer
Nacktheit als Held des Sports, zum Beispiel als Nudistenfußballer oder
FKK-Bergsteiger (quasi). Stellt nämlich die Marmorstatuen rund um
Mussolinis Olympiastadion in Rom nach. Mit großem Gespür für Peinlichkeit
(die Peinlichkeit des Originals, die aber eigentlich erst dann
unverkennbar ist, sobald man die erhabenen Marmorposen aus Fleisch und
Blut nachmacht). Und ein Video zeigt die heute im Stadion untergebrachte
"Fleisch verarbeitende Industrie": Halbgroteske Massenszenen mit gequälten
Leibern (fast wie bei Hieronymus Bosch) und mit schrillen Euphorieschreien
der "Fleischhauerin", also der Vorturnerin in diesem Fitnesscenter. Für
mich als Muskel- und Schweißabstinenzlerin: visionär apokalyptisch.
Und von Kamil Varga: sehr poetische Fotogramme zur Lage der
Menschheit. Da himmelt etwa einer einen Sternenhimmel an. Die Sterne sind
Fingerabdrücke. Denn der Mensch ist wie ein Kind im Supermarkt, das alles
haben und angreifen muss (anders gesagt: "Das will i, Mama, und das will i
a"). Bis 4. April in der Galerie am Park (Liniengasse 2a): Alexandra
Baumgartner. Eh ganz o. k. (zumindest vom Temperament ihres sehr direkten
Pinsels und von den "kreatürlichen" Farben her).
Erschienen am: 28.03.2003 |
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