Und ewig strickt das Weib. Oder es häkelt. Handytascherln für die ganze
Familie zum Beispiel. Dem Goldfisch strickt das Weib Flossenwärmer oder
einen Rollkragenpullover, dem Hund fesche Legwarmer (sprich: Lägwoama).
Und wenn Not am Mann ist (weil das Mousepad schon ein Loch hat wie eine
durchgelaufene Sohle), klöppelt die Herrin des Fadens g’schwind ein
Deckerl, auf dem sich die Maus dann fühlt wie ein nobles Porzellanpferd in
der Nippesvitrine. Denn das ist die Natur des Weibes.
Frauen haben das Handarbeitsgen. Die häkeln und stricken alles ein wie
eine Spinne ihre Beute. Vom Frühstücksei bis zu den Füßen, die gerade zu
Bett gehen wollen und die sie auf halber Strecke anhalten, um mit
Grobstricksocken über sie herzufallen. (Und wenn sie dann noch ein bisserl
Zeit haben, sticken sie in jedes Blatt Toilettenpapier ihr Monogramm und
wickeln die Rolle hernach feinsäuberlich wieder auf.) Frauen haben ja so
viel Energieüberschuss in ihren Fingern.
Galerie Mauroner: Alles in Grund und Boden stricken
So viele Strickmaschen auf einmal wie derzeit beim Mario Mauroner hab’
ich ja seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen, als ich jeden Winter von
selbstgemachten Pudelhauben, Norwegerpullovern und Fäustlingen bedrängt
worden bin und die Stricknadeln meiner Großmutter mich alle Jahre wieder
in einen kratzigen Kokon einstrickten. Als Weihnachten noch das Fest der
Wolle war.
In der jungen Kunst aus Portugal, die beim Mauroner versammelt ist,
findet sich ebenfalls eine auffallende Neigung zur „typisch weiblichen“
Handarbeit. Die Damen, die für Joana Vasconcelos selbstbewusst an der
Stricknadel hingen und ein schönes Beispiel für Frauensolidarität abgaben,
strickten das Patriarchat förmlich nieder, als sie immer mehr Wollknäuel
in diesen gigantischen Wurm hineinpumpten.
Der heißt seltsamerweise wie ein Wurmmittel (Pantelmina). Entwurmen
durch Stricken? Also apotropäisches Stricken, als Abwehrzauber? Oder ist
das eine Voodoo-Puppe, deren Folterung dem tatsächlichen Parasiten im
Organismus des Misshandlers seelische Pein und körperlichen Schmerz
zufügen soll? Oder ist es wie mit den steinzeitlichen Höhlenmalern und
ihren Büffeln, nur dass eben der Wurm, den die Monumentalstrickerinnen
erlegen wollen, nicht gemalt ist?
Wie auch immer: Vasconcelos hat mich bitter enttäuscht mit ihrem
plumpen Wurm. Ihre Walküre ebenso, ein von der Decke baumelndes
Wollmonster, das während der Vernissage heruntergefallen ist und zum Glück
niemanden unter seinen gut 200 Kilos begraben hat (also für Walhall
erwählt hat oder fürs Spitalsbett). Vasconcelos ist immerhin die, die
heuer auf der Biennale in Venedig jenem unscheinbaren Hygieneartikel, der
mehr für die Bewegungsfreiheit der Frau getan hat als der erste Hosenrock,
ein kolossales Denkmal gesetzt hat und einen eindringlich femininen
Kronleuchter aus 14.000 unbefleckten o.b.-Tampons gebastelt hat.
Frauensachen sind ja nie besonders praktisch
Von Catarina Saraiva: Ausdrucksvoll frankensteinische Schneiderpuppen.
Mit unheimlichen Fortsätzen und Belastungen. Wie die Visualisierung von
Gefühlen nach dem Essen oder während der Monatsblutung. Der
grammatikalisch eigenwillige Titel: „Never fits a dress to the body but
train the body.“ Ein verunglückter Imperativ? Passe nie das Kleid dem
Körper an, sondern dressiere den Körper! Das tun die Schönheitschirurgen
sowieso. Sie legen ihren Kundinnen Schnittmuster auf und schneidern das
Fleisch in die Konfektionskleidung hinein.
Der Star der Schau ist aber der hingebungsvoll in edle weiße Stoffe
eingenähte Sattel von Ana Rito mit langer bräutlicher Schleppe aus
Rüschenunterröcken, umweht von der Aura der Unberührtheit. Den schnallt
man in Gedanken unweigerlich einem Hengst auf, der mit der Unschuld
davongaloppiert, bis sämtliche Unterröcke zerrissen sind (besonders weil
der Titel „Macula“ ist, Fleck, im Gegensatz zur Immaculata, der
Unbefleckten, die ohne Erbsünde empfangen wurde und als Einzige ohne
schlechtes Gewissen Äpfel essen konnte). Frauensachen sind ja nie
praktisch. Nicht zufällig lernen Menschenfrauen zweimal in ihrem Leben
gehen. Mit 13 Monaten und wenn sie ihre ersten Stöckelschuhe bekommen.
Einen Mann sollte ich aber doch noch erwähnen: Baltazar Torres. Der
baut surreale Szenen, meist voller zivilisationskritischer Mutationen.
„Prozac“ (nach der Glückspille): wie eine allegorische Sozialstudie. Ein
Affe, allein zuhaus mit einem Fernseher und einem Wandspiegel. Der Mensch
glotzt auf Schimpansenniveau ins Weltfluchtgerät und bloß jener Gefährte
leistet ihm Gesellschaft, der immer ein Artgenosse ist: das eigene
Spiegelbild. Das können Schimpansen übrigens erkennen. Und seit der arme
Jüngling Narziss auf sich selber reingefallen und elendiglich
verschmachtet ist, können das die Menschen inzwischen schon mit 18
Monaten. Damit solche Unfälle bei der Partnerwahl nicht mehr
passieren.
Eine durchaus interessante Auswahl, stimmig gehängt, die obendrein
zeigt, dass die Militärdiktatur für diese portugiesischen Künstler schon
verdammt lange zurückliegt und ihnen die Geschlechtsidentität und das
Leibliche oder einfach künstlerische Fragen schlichtweg näher sind.
Artothek-Galerie: Ein Fisch rülpst im stillen Bergsee
Aurelia Gratzer ist sicher auch gut im Kartenhäuserbauen. Wieso sollte
sie denn nicht genauso kaltblütig Spielkarten aneinander stellen können
wie in ihren souverän kalkulierten Bildern die architektonischen Flächen?
Und dann würde sie sich daneben die Haare föhnen, ohne dass alles
zusammenkracht (also selbstbeherrscht). Ihre „Boogie Woogie Winde“
(Bildtitel) aus tänzerisch wirbelnder Farbe bringen die ansonsten akkurate
Umgebung ja auch nicht aus der Contenance.
An ausgewählten Stellen ist sie gezielt schlampig. Der wüste Pinsel ist
aber keine wirkliche Ausschweifung, sondern eher so, als würde ein Fisch
in einem stillen Bergsee rülpsen. Das Wilde erstarrt zur dekorativen
Geste. Aber die Farben sind so sorgfältig aufeinander abgestimmt, daran
kann man sich schon delektieren.
Quer durch die Galerien
Galerie Mario Mauroner
(Weihburggasse 26)
Portugal Today. Neun
Positionen.
Bis 21. Jänner 2006
Di. bis Fr. 11 bis 19 Uhr
Sa.
11 bis 16 Uhr
Artothek-Galerie „Alte Schmiede“
(Schönlaterngasse 7a)
Aurelia
Gratzer. „Basis Raum.“
Bis 15. Dezember
Di. und Mi. 12 bis 18 Uhr
Do. 10 bis 20 Uhr
Fr. 10 bis 18 Uhr
Freitag, 02. Dezember
2005