Wo liegt denn Weihnachten?
Von Claudia Aigner
Viele Wiener haben dieser Tage ein
Déjà-vu: "Momenterl, woa da Weihnachtsmo ned vurig's Joar schon do?" Das
werden sie eventuell denken, wenn sie mit ihren roten Punschnäschen und
-ohren vom Santa-Clause-Market taumeln. Ach nein, der heißt ja noch
alleweil Christkindlmarkt. (Wieso eigentlich?) Aber egal. Wenn man
jedenfalls beim Gerersdorfer, nämlich in der Währinger Straße 12,
hereinschneit (natürlich nicht im streng meteorologischen Sinne, sondern
vielleicht lieber doch in einem etwas festeren Aggregatzustand, aus dem
man nicht gleich wegschmilzt) und es hängt kein Flora mehr da, - dann hat
man Weihnachten dieses Jahr leider versäumt. Denn der Flora und
Weihnachten, die hängen zusammen wie der Pawlowsche Hund und . . . äh
wahrscheinlich "Pedigree Pal" (oder wie das Glöckchen und der
Speichelfluss vom Pawlowschen Hund?). Wie auch immer: Sobald man eines
Floras ansichtig wird, rinnen einem die Vanillekipferln und die
Weihnachtslieder im Mund zusammen, ob man will oder nicht. Bzw. in dem
Moment, wo irgendwo "Süßer die Glocken nie klingen" intoniert wird
(neudeutsch: "Jingle Bells", wie das jetzt heißt, nachdem die
Weihnachtsimperialisten aus Übersee unsere Weihnachtslieder durchs
Übersetzungsprogramm gejagt haben), da taucht vor dem geistigen Auge eine
unglaublich dicht gestrichelte und trotzdem ätherisch hingehauchte
Venezianische Tristezza im Nebel auf oder der Monsieur Corbeau, der so
etwas ist wie das Missing Link zwischen Rabe und Mensch. Oder es erscheint
der "Tiroler Bacchus", der sein Weinfass gesattelt hat und bei dem sich
gerade die wundersame Wandlung vollzieht: von Wein in Rausch (pointiert
und ohne Umschweife gezeichnet, worin der Flora ja ein Meister ist).
Gut, der Flora hat noch nicht ganz erkannt, dass er
jetzt
eine gewisse Verantwortung für Weihnachten trägt, weil
ihn uns der Gerersdorfer beinhart jeden Advent bis zum Heiligen Abend
beschert. Sonst gäbe es schon längst die aufrüttelnd traurige
Federzeichnung "Das Christkindel wird von zehn Santa Kläusen aus
Weihnachten vertrieben" (Weihnachten läge in dem Fall in Venedig, in
Floras Lieblingshydrokultur also). Ich gebe dennoch die Hoffnung nicht
auf, dass wenigstens seine Tiroler Schützen irgendwann einmal ihre
Schusswaffen mit den steinharten Vanillekipferln vom Vorjahr laden werden
- im Abwehrkampf gegen den pummeligen Santa, den Träger des
Weihnachtsspecks. Am 8. Dezember signiert der Flora übrigens von 18 bis 20
Uhr gutmütig alles. Peter Lindner (Schmalzhofgasse 13) über Inge Dick
(bis 19. Dezember in seiner Galerie): "Und das da, das ist nach ihrer
Aussage ihr buntestes Bild." Hä? Die vier mal fünf Bildchen sind doch
schneeweiß. Falsch. Inge Dick ist halt einfach farblich subtiler als ein
Hund, der vom Schnee Besitz ergreift. Ihr Kadmiumgelb ist homöopathisch.
Oder ihr Ultramarinblau. Eigentlich ein aufregender "Sehtest". Und der
Himmel ist jetzt endlich auch wieder blau und nichts als blau, so wahr ihm
die Optik helfe. Seit die Dick ihn am Computer so lange "atomisiert" hat,
bis nur noch ein Pixel von ihm übrig war. Und das ist wahrhaft blau. Und
die Moral von ihren monochromen Fotos? Auch Farbe ist relativ - im
vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum. Johann L (bis 9. Jänner 2004 in
der Galerie Sur, Seilerstätte 7): Seine lecker in seinen Bildern
verstreuten bunten Glasscherben bereiten mir höchste Schaulust. Umso mehr
leide ich, dass ich zu seinen Figuren ("ein Empfangender", "der Saboteur")
keinen wirklichen Zugang finde. Ich glaube, sie sind mir zu semiotisch. Es
ist wahrscheinlich unverschämt, sich jetzt zu wünschen: Ach, wären die
Bilder doch abstrakt!
Erschienen am: 05.12.2003 |
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