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Hauptausgabe vom 17.06.2003 - Seite 007
LÄSTIG: Social Impact provoziert mit seinen Projekten die gesellschaftliche Verantwortung

Kunst-Partisan in der Festung Europa

VON FRANZ SCHWABENEDER

In der Europäischen Kulturhauptstadt Graz wird die Kunst gefeiert, was das Zeug hält. Eine Fülle an Veranstaltungen vermelden Europas kulturellen Reichtum, gelegentlich aber mischt sich eine lästige Botschaft ein, vermittelt sozusagen von den Kunst-Partisanen in der Festung Europa. Und dafür sorgt am 11., 12. und 13. Juli die Linzer Kulturgruppe Social Impact, die mit ihrem "Moving Truck Cinema" aufkreuzt.

Die Ausgangssituation für dieses Projekt, das aus 180 Einreichungen als Stipendienprogramm des Forum Stadtpark ausgewählt worden ist, bezieht sich auf die Migrationsproblematik. Harald Schmutzhard von Social Impact zu den OÖN: "Es besteht ja der EU-Plan, ein gemeinsames Anhaltelager für Flüchtlinge in einem europäischen Drittland einzurichten, etwa in der Ukraine, in Albanien oder Mazedonien. Also Europa soll gewissermaßen `flüchtlingsfrei' gemacht werden." Und darauf soll "Moving Truck Cinema" reagieren.

Ein Lastwagen, auf dessen Rückwand eine Projektionsleinwand installiert ist, wird jeweils nach Sonnenuntergang vor Diskotheken, Kinos und auf belebten Grazer Plätzen aufkreuzen und 10 bis 15 kurze Videos - Maximallänge zwei Minuten - zeigen. Zu sehen sind Aufnahmen aus dem Internierungslager Jezavo in Kroatien, in dem in vier Jahren bis zu 4.000 Menschen aus über 50 Staaten an diesem Vorposten der europäischen Grenzüberwachung gestrandet sind. Dem Laufpublikum in Graz soll also das Problem "der Abschiebung der Verantwortung der EU an Drittstaaten" verdeutlicht werden.

Am 13. Juli präsentiert dann Social Impact im Grazer Dom im Berg Videoclips über die illegalen Grenzüberquerungen und die Fluchtrouten an der tschechisch-österreichischen Grenze. Und vom Oktober bis Dezember wird eine von Social Impact gegründete Agentur mit dem hintersinnigen Namen "No Milk / No Honey" auf dem Grazer Flughafen und beim Forum Stadtpark tätig sein. Broschüren werden verteilt, die Aufschluss geben, wie die Öffentlichkeit und die Institutionen mit Flüchtlingen umgehen. Harald Schmutzhard versteht das Projekt als Unterstützungsaktion für das österreichische Innenministerium, "potenzielle Flüchtlinge vor der Flucht nach Österreich abzuhalten"¼

Im Großraum Linz wiederum wird Social Impact in den nächsten Wochen verstörend auffallen: Unter dem Titel "wahlVERsprecher" werden vor den Supermärkten 36.000 Plastiktaschen verteilt, auf denen im Vorfeld der Landtagswahl die Politikerinnen und Politiker mit ihren alten Wahlversprechen konfrontiert werden - und wie die Wählerinnen und Wähler diese Versprechen kommentieren.

Schmutzhards Kunst mischt sich ein

Er ist ein filigraner Mensch, der leise zu sprechen pflegt, aber seine Aktionen pflegen mitunter lautstarke Reaktionen hervorzurufen. Harald Schmutzhard hat an der Linzer Kunstuni studiert und seinen Kultur- und Kunstbegriff als Einmischung in die gesellschaftspolitische Befindlichkeit definiert. Die von ihm ins Leben gerufene Künstlergruppe "Social Impact" entwirft Kunstprojekte, die sich im Alltag orientieren und auch als Sozialprogramme verstehen. Die Aktion "Dead-House-Walking" begleitete die Umsiedlung auf dem Harter Plateau, "Border Rescue" erkundete Flüchtlingsschleichpfade nach Europa. An der Europastraße E55 wird ein Projekt zur Situation der Sexarbeiterinnen erarbeitet. Social Impact ist mit Präsentationen zwischen Athen und Dresden unterwegs und bei der Biennale von Los Angeles vertreten.


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