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Erzählweisen aufspüren

Die Sonderausstellung "1000 + 1 Nacht" in der Landesgalerie Oberösterreich am Landesmuseum in Linz ist noch bis 12. November geöffnet.
Von Elisabeth Buchmann.


Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert erscheint als eine Geschichte der Abstraktion. Mit den Gegenständen in den Bildern gingen zwangsläufig auch die Inhalte verloren, die die Grundlage für erzählerische Strukturen in der bildenden Kunst sind. Die Kunstentwicklung des 20. Jahrhunderts ließ über lange Perioden hinweg kein Erzählen zu, doch scheint in den letzten Jahrzehnten das Phänomen der Erzählung wieder an Bedeutung zu gewinnen.

Plakat zur Ausstellung (Zum Vergrößern anklicken)
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Gerade diesem Thema widmet sich "1000 + 1 Nacht", eine Ausstellung der Landesgalerie Oberösterreich. Insgesamt 19 Künstler waren eingeladen, an der Schau in Linz teilzunehmen. Der Bogen spannt sich von jungen Talenten aus Oberösterreich bis hin zu bekannten Namen - Aldo Mondino aus Italien etwa, der seine Ölgemälde mit kleinen Kohlehäufchen am Boden einkreist und ein Bild nur aus italienschen Pralinen zusammensetzt. Marie-Jo Lafontaine aus Belgien ist ebenso vertreten wie die letzte deutsche Biennale-Teilnehmerin Rosemarie Trockel, die filmisch eine Geschichte über die Mutter erzählt.

Zwei Drittel Frauen

Das Thema des Erzählens verbindet die unterschiedlichen Arbeiten. "Die Künstler wollen mit ihren Werken erzählen", erklärt Peter Assmann, Kurator und neuer Direktor des Oberösterreichischen Landesmuseums, "allerdings nicht mehr in der traditionellen Form von A bis Z, sondern im Sinne von - wie auch der Untertitel der Ausstellung sagt - fragmentierten Erzählstücken. Das heißt Erzählteilen, Zitaten, die neu zusammengefügt werden, und wo auch, und das ist ein ganz wichtiger Punkt, der Betrachter eine wesentliche Rolle und Funktion einnimmt."

Von den 19 Künstlern sind zwei Drittel Frauen, und damit schließt sich für die Besucher auch der Kreis zur Märchenerzählerin Sheherazade aus "Tausend und einer Nacht". Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass die Erzählung gerade in Ländern mit einer bedeutenden Tradition an Märchen und Mythen eine wichtige Komponente in der aktuellen Kunstproduktion darstellt. Ausgangspunkt der konzeptuellen Überlegungen des Schriftstellers und Kurators Peter Kraml sind die Erzählungen aus "1000 + 1 Nacht", die "in ihrem großen Entwurf die Welt im Blick haben, in ihren Details allerdings sehr subtile Fragmente des menschlichen Lebens sind".

A. Feuerbach,
A. Feuerbach, "Der Märchenerzähler", 1866

"Der Märchenerzähler"

In einer nicht nur räumlich zentralen Position der Ausstellung befindet sich das Gemälde "Der Märchenerzähler" (1866) von Anselm Feuerbach als ein Referenzpunkt für die Konzeption der Schau. Wie die Zuhörerinnen sich um den persischen Märchenerzähler gruppieren, so entwickeln sich auch in den realen Räumen der Ausstellung die Themen, denen die künstlerischen Beiträge zugeordnet sind, um das Bild des Erzählers herum. Auch sie sind der Gedankenwelt von "1000 + 1 Nacht" entlehnt, gleichzeitig aber allgemeingültige Aspekte des menschlichen Daseins: sie stehen unter Begriffen wie Zauber, Abject, Raub, Mord, Sexualität, Tod und Begehren.

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Weiters zugeordnet wurden den einzelnen Kunstwerken kurze neu übersetzte Texte aus "1000 und einer Nacht" von Peter Kraml, die fast unsichtbar einen Ariadnefaden durch die Ausstellung ziehen. Wie schon bei der Ausstellung "Schöpfungszeiten", bei der der Schriftsteller Bodo Hell zu den Themen und Kunstwerken poetische Texte verfasste, ist es auch hier wiederum das Zusammenspiel von literarischer und bildender Kunst, das ein wichtiges Spannungsmoment der Ausstellung ausmacht.