MAK: "Die zweite Haut. Objekte zum Verpacken und Bewahren"
Keine ledernen Säcke
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Etui für den mobilen Hausrat: Besteckschachtel aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Foto: MAK/ Mayer
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
"Kein Ding sieht aus, wie es ist. Am wenigsten der Mensch, dieser
lederne Sack voller Kniffe", urteilte schon Wilhelm Busch. Wie schön
aber Hüllen sein können, die nur der Verpackung eines Gegenstands
dienen, lässt uns fast vor Neid erblassen.
Elisabeth Schmuttermeier holte 80 Beispiele vom Mittelalter bis zur
Gegenwart aus den verschiedenen Depots des MAK und gruppierte sie zur
Ausstellung "Die zweite Haut. Objekte zum Verpacken und Bewahren" zu
einer Schönheitskonkurrenz.
"Las Vegas Wedding" nennt sich ein Schmuckkästchen der bekannten
Objektkünstlerin Ulrike Johannsen von 1994: ein silberner Amor auf
schwarzem Lederdeckel hält fürs Erste neben aufwendigem Verschluss vom
Öffnen ab. Evelyne Egerer gießt ihre Box mit zwei Stachelringen und
Glasdeckel in Metall – "Ewig Dein" von 1988 steht als Schmerzhülle für
sich. Aber schon früh enthielten schöne Etuis nicht immer ideale
Geschenke: Ein Aderlass-Schnepper von 1784 diente Ärzten zum Öffnen der
Adern. Auch Bestecke gehörten zum mobilen Hausrat. Die besondere Form
der Monstranz überträgt sich natürlich auch auf das baumförmige Äußere
ihres Lederkastens. Auch Priester mussten ihr Kirchengut transportieren –
an sich ist die Reisetätigkeit der Menschen ab dem späten Mittelalter
Ursache der Entstehung von so mancher ausgefallener Geld- oder
Schmuckkassette oder sogar von Reiseschränken.
Heute nicht ohne Plastik
Die Büchsen, Necessaires und Etuis sind aus den verschiedensten
Materialien, neben Holzkern und Lederüberzug, gibt es aufwendige
Textilien oder Pergament, dazu Edelmetalle, seltener Glas und Keramik,
heute geht es nicht ohne Plastik. Vordergründig dient der Aufwand dem
Schutz, doch zuweilen erweist der sich als Vorwand.
So enthält ein rotes zweistöckiges Lederetui mit zartem Golddekor von
etwa 1800 bis 1835 nur mehr einen Teller im klassizistischen Stil; die
Tasse, die zur spektakulären Form führte, ist im Laufe der Jahre
verloren gegangen. Und auch der Teller kommt nicht an die doppelbödige
Verpackung heran. Nicht nur die Japaner und Chinesen sind Meister der
Papierfaltungen – Susanne Lippitsch verpackt ihren Schmuck in besonders
geschnittenem, blaugefärbtem Karton (Exponate aus dem Jahr 2000).
Es soll Sammler für derartige Schmuckkassetten, Prunk-Etuis oder
Lederkoffer geben; das verwundert auch bei so mancher "Morgengabe" nach
Hochzeiten kaum – manche Schatullen haben kleine Laden, sind mit
vergoldetem Dekor oder sogar exotischen Bildern versehen; bei einer
flämischen und einer Nürnberger Kassette aus dem 16. Jahrhunderts fragt
man sich, was wohl der Inhalt war bei solcher Pracht. Sollte die Hülle
schon verwirren, ablenken oder überzeugen? Sicher war es anders als
heute, wo oft das Konzept eines Protests gegen den Konsumwahn enthalten
ist.
Ausstellung
Die zweite Haut. Objekte zum Verpacken und Bewahren
MAK Studiensammlung Metall
bis 15. Jänner
Printausgabe vom Donnerstag, 28. April 2011
Online seit: Mittwoch, 27. April 2011 16:52:00