Über die Kunst zur Staatsbürgerschaft
Sponsoring. Kunstmäzene aus dem Ausland wollten der Kunsthalle Wien Millionen spenden. Bedingung: der Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Fritz PesslHedwig Kainberger Wien (SN). Die Kunsthalle Wien hat über ihren Direktor Gerald Matt anscheinend in großem Stil versucht, Ausländern die österreichische Staatsbürgerschaft zu vermitteln. Im Gegenzug dafür sollten die angeblichen Kunstfreunde aus Russland, Kasachstan, Indien und Kuwait als Sponsoren für Projekte der Kunsthalle Wien auftreten. Dies brachten die SN aus Akten, Korrespondenzen sowie Recherchen in Erfahrung.
Nach der Großspende für die Osterfestspiele Salzburg (siehe unten) ist das der zweite Fall, wie vermögende Personen mittels privater Kunstförderung versuchen, zur österreichischen Staatsbürgerschaft zu kommen.
Die Dimension dürfte beträchtlich sein: Anscheinend war geplant, dass mindestens vier Geldgeber je 1,4 Mill. Euro – also 5,6 Mill. Euro – in eine „Kunsthalle Wien Privatstiftung“ einzahlten. Mit der ersten Tranche von je 50.000 Euro wäre die Stiftung gegründet worden; die zweite Tranche von je 1,35 Mill. Euro wäre mit Erwerb der Staatsbürgerschaften fällig geworden.
Wenigstens einige der Personen wurden über die HSBC Private Bank vermittelt. Die zugesagten Spenden an die Kunsthalle wurden zunächst auf ein oder mehrere Treuhandkonten in London eingezahlt. Dann wurde begonnen, in Österreich eine Privatstiftung zu gründen, die als Sponsor der Kunsthalle aufgetreten wäre. Vorarlberger Netzwerk Vorangetrieben wurde dieses Projekt in einem Netzwerk von Vorarlbergern. Der Bregenzer Anwalt Horst Lumper nominierte die Gönner, er formulierte Empfehlungsschreiben, brachte Anträge auf Staatsbürgerschaft ein und hätte vom Sponsorbetrag vier Prozent als Honorar verlangt (von 5,6 Millionen wären das 224.000 Euro). Zudem war vorgesehen, dass er in den Stiftungsvorstand einzieht.
Rechtsanwalt Lumper spielte im SN-Gespräch seine Rolle als Einfädler herunter und sagte zu den gescheiterten Staatsbürgerschaftsverleihungen: „Wir haben die Anträge zurückgezogen, weil wir das Gefühl hatten, dass es Vorbehalte gibt. Natürlich wären meine Mandanten große Sponsoren gewesen, und man hat sich erhofft, dass viele Gelder kommen. Das sind Kunstsammler, alle hätten profitiert, aber es hat leider nicht funktioniert.“ Horst Lumper weiter: „Ich habe die Anträge vorbereitet, das war kein großer Aufwand. Das ist ein ganz normaler Vorgang und eine seit Jahrzehnten in Österreich geübte Praxis.“ Dass Geld im Austausch für eine Staatsbürgerschaft fließen sollte, stellte Lumper in Abrede. Und: „Ich habe selbst niemals interveniert, das ist auch nicht meine Aufgabe.“
Der Zweite im Vorarlberger Netzwerk ist der bereits erwähnte Direktor der Kunsthalle Wien, Gerald Matt (geboren in Hard). Er verhandelte die Konstruktion mit Horst Lumper. Zudem hat er über Jahre auf höchster politischer Ebene interveniert.
Als einer der künftigen Sponsoren Lumper und Matt nach Kuwait einlud und ausrichten ließ, selbstverständlich sämtliche Kosten zu übernehmen, antwortete Gerald Matt: „Ich freue mich aber sehr auf die Einladung nach Kuwait und melde mich in nächsten Tagen (sic) diesbezüglich, ich muss erst schauen, wann es terminlich passen könnte.“ In derselben Korrespondenz erläutert Matt: „Habe schon mit dem Herrn Bundeskanzler Gusenbauer gesprochen, das Gespräch mit Vizekanzler Molterer steht noch aus.“
Gerald Matt setzte sich auch bei anderen Politikern und in deren Büros für die Zuerkennung der Staatsbürgerschaft an die Geldgeber ein, etwa beim Wiener Bürgermeister Michael Häupl und beim Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny, außerdem bei Nikolaus Pelinka, damals im Büro von Kulturministerin Claudia Schmied (alle SPÖ).
Vier Anträge nahmen die administrativen Hürden bis zum Kulturministerium. Dort wurden sie allerdings im September 2010 „mit einer ablehnenden Erledigung an das Land Wien-MA 35 abgefertigt“, wie es im Amtsdeutsch heißt.
Die Begründung lautete: „Unsere Prüfung ergab keine zu erwartende oder bereits erbrachte außerordentliche künstlerische Leistung“, sagte Claudia Schmieds Sprecherin Sigrid Wilhelm den SN. „Bei den betreffenden Personen handelt es sich um Kunstmäzene. Sponsorentätigkeit ist wirtschaftlichem Handeln zuzuordnen und fällt somit nicht in die Zuständigkeit des Kulturministeriums.“
Dritter im Vorarlberger Bunde ist der Präsident des Trägervereins der Kunsthalle Wien, Thomas Häusle (geboren in Bregenz). Nachdem er das Vorarlberger Abfallunternehmen Häusle verkauft hatte, stieg er als Gesellschafter und Geschäftsleiter in die Kunstkontakt GmbH (mit Sitz in Dornbirn) ein. Diese erstellt laut Eigendarstellung auf ihrer Webseite unter anderem „künstlerische Konzepte für Gebäude“, etwa für die Therme Wien in Oberlaa oder das Hotel Tauernspa in Kaprun. Thomas Häusle wurde regelmäßig über die Gönner der Kunsthalle informiert und hat Empfehlungsschreiben mitformuliert.
Den SN kündigte Thomas Häusle am Donnerstag eine schriftliche Stellungnahme an, die über die Pressestelle der Kunsthalle Wien ausgesendet werde. Darin sei beschrieben, „was geschehen ist“ und wie das einzuordnen sei. Darüber hinaus wolle er nichts sagen.
Der Vizepräsident des privaten Trägervereins der Kunsthalle ist übrigens ebenfalls Vorarlberger: Sigi Menz , Vorstandsvorsitzender der Ottakringer Getränke AG. Auch er war in die Einbürgerungsverfahren mit eingebunden.