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Kunstberichte
Die Künstlerhaus-Initiative Wink setzt ihre Ausbaupläne fort und geht erneut auf Partnersuche

Gläserne Vision einer Erweiterung

Der Plan
 für die Erweiterungsbauten am Künstlerhaus Karlsplatz stößt auf 
unterschiedlich großes Interesse. Foto: 2010 ZOOMVP Künstlerhaus

Der Plan für die Erweiterungsbauten am Künstlerhaus Karlsplatz stößt auf unterschiedlich großes Interesse. Foto: 2010 ZOOMVP Künstlerhaus

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Undichtes Dach und untaugliche Klimatisierung.
Aufzählung Jeder führt andere Vorbehalte ins Treffen.

Wien. Zu den unerledigten Museumskonzepten Wiens gehört seit Jahrzehnten das zentral gelegene Künstlerhaus. Früher eines der schönsten Ausstellungshäuser, stehen Sanierung, Revitalisierung und mögliche Kooperationen mit anderen Häusern lange zur Debatte, aber es passiert, neben einem ambitionierten gegenwartsbezogenen Programm durch den künstlerischen Leiter Peter Bogner auf schmaler finanzieller Basis, nichts Konkretes.

Die Dringlichkeit ist klar: Neben undichten Dächern und fehlender Klimatisierung ist sogar die Tragfähigkeit des Kinodachs nicht mehr gesichert. Seit 2008 sind weder die Wirtschafts Initiative Neues Künstlerhaus (Wink) noch das Ministerium oder die Kulturabteilung der Stadt Wien aktiv. Selbst der Bundespräsident wurde in Gespräche einbezogen. Die Probleme haben tief liegende Wurzeln.

Seit 1968 Schlüsselposition als Wiener Ausstellungshaus

Das Künstlerhaus nimmt seit 1868 eine Schlüsselposition als Ausstellungshaus ein – nicht nur geografisch in der bereits 2000 als "Kunstplatz Karlsplatz" deklarierten Gegend zwischen Schwarzenbergplatz und Naschmarkt. Legendär sind die Festwochenausstellungen der 80er Jahre zu Themen wie "Wien um 1900" oder "Die Türken vor Wien", beide von Hans Hollein inszeniert, oder die 1987 vom Architekten Luigi Blau gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Werner Hofmann gestaltete Manierismus-Schau "Zauber der Medusa". Zuletzt verwirklichte Wolfgang Kos Publikumsmagneten wie "Kampf um die Stadt" oder davor die "Alt-Wien"-Ausstellung im Künstlerhaus – das alles ohne nötige Raumklimatisierung und unter undichten Glasdächern.

2011 feiert die älteste Künstlervereinigung, nach wie vor der Eigentümer des Hauses, ihr 150-Jahr-Jubiläum. Deshalb soll nun der 1999 vom Architektenteam Jabornegg & Pálffy unter Vorsitz von Gustav Peichl gewonnene Wettbewerb mit einer Adaptierung durch Adolf Krischanitz wiederaufgenommen werden. Da bereits eine Million Euro in das gestoppte Bauprojekt investiert wurde, ist Sparen ein Grund, in dieses überarbeitete Projekt Hoffnungen zu setzen. Wie oben bereits vermerkt, benötigt der Bau August Webers von 1868 – eines in der Ringstraßenzeit sehr jungen Architekten, dessen zentrales Gebäude 1882 von Andreas Streit und Friedrich Schachner um den deutschen und den französischen Saal erweitert wurde, dringend eine Restaurierung; und vor allem technische Modernisierung.

Heute sind in den Annexbauten Kino und Theater, im Keller ein Restaurant untergebracht, im Kinofoyer ein Café. Zwar steht der Bau unter Denkmalschutz, die Revitalisierung ohne Zubauten ist aber für keine andere Institution interessant, da die vorhandenen Räumlichkeiten zu wenig Ausstellungsfläche böten. Die "Gesellschaft bildender Künstler Österreichs Künstlerhaus" kann sich aus eigener Kraft keinen Ausbau leisten, auch wenn Beppo Mauhart als Vorstand von Wink bereits Sponsoren gefunden hat.

Großprojekt vorerst ohne Rückendeckung

Vorgespräche, die seitens der Stadt und des Ministeriums mit der Kunsthallenleitung oder dem Wien Museum, auch mit den Interessenten eines Hauses der Geschichte, geführt wurden, blieben im vorhandenen Rahmen der Möglichkeiten ergebnislos. Darum setzt Wink nun auf das neue Großprojekt, bei dem zwei weitere Annexbauten den wenig nutzbaren versenkten Atriumshof auf der linken Seite und den freien Platz vor dem Theater rechts ersetzen, sowie eine Unterkellerung und einen Dachausbau die zur Verfügung stehenden Flächen enorm steigern würden. Von mehr als 9000 Quadratmetern (bisher 7500) blieben bei Nutzung von 1500 durch die Künstlervereinigung 7800 für andere Institutionen. Es gäbe variable Eingangsbereiche zum verbleibenden historischen Haupteingang – auch unterirdisch von der U-Bahnpassage.

Der Dachausbau würde ein attraktives Restaurant mit Panoramablick über den Karlsplatz und nötige Büroräume samt Terrassen ermöglichen. Die multifunktionell geplanten Innenräume sollen flexibel nutzbar werden. Historische Bereiche blieben unangetastet. Mit dem Denkmalamt ist noch nicht gesprochen worden, doch hofft man, hier durch die bewährt sensible Vorgangsweise offenbar mit dem Namen Krischanitz so erfolgreich zu verhandeln wie in Sachen Zwanzigerhaus.

Auch der stufenweise Vorgang des Ausbaus ist an dieses funktionierende Projekt angelehnt. Ministerium und Stadt Wien haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, dem nun die neuen Baupläne als Grundlage zur Erstellung einer Machbarkeitsbewertung samt Kostenschätzung vorliegen. Das Ergebnis wird im Herbst erwartet.

Konkretes Interesse scheint seit den Umbauplänen bis jetzt nur das Filmarchiv als Mitnutzer bekundet zu haben, die freundliche Anfrage der Künstlervereinigung an den Wunschpartner Kunsthalle wurde von deren Leiter Gerald Matt erneut schroff abgelehnt: Er will aus verständlichen Gründen nicht aus dem Museumsquartier abziehen.

Wolfgang Kos scheint sich mit einer Entscheidung für einen notwendigen neuen Ort und Bau für das Wien Museum schwerzutun; für ihn sind die zusätzlichen Räumlichkeiten wohl zu wenig, und die kaum mit einer Glasbrücke verbindbaren Orte findet er nicht attraktiv genug. Das schon unter Ministerin Elisabeth Gehrer geplante "Haus der Geschichte" wiederum hat immer noch keine konkreten Formen angenommen.

Bleibt also nur die Frage: Quo vadis Künstlerhaus? Eingedenk biblischer Überlieferung der Worte von Petrus an Christus ein passendes Stoßgebet. Zukunftsvisionen scheinen innerhalb der Künstlervereinigung unterschiedlich zu sein. Eine reduzierte Version von Otto Häuselmayer, Ehrenmitglied und Vizepräsident, ist offenbar bereits vorhanden, viele Mitglieder sehen die Kombination mit anderen Institutionen immer noch als notwendiges Übel an und wollen unter sich bleiben. Demokratische Schwierigkeiten und Unsicherheiten machen die künftige Großbaustelle zum Problem.

Radikale Aufbrüche bleiben unbeliebt

Bekanntlich haben Aufbrüche radikaler Art selten in Wien gefruchtet. Leider, sollte in manchen Fällen hinzugefügt werden, denn die ursprünglichen Planungen des Haashauses am Stephansplatz oder des Museumsquartiers hätten besser zu der mittlerweile lebenswertesten Stadt Europas gepasst. Die Entwürfe von Jabornegg & Pálffy mit Krischanitz sind, internationalen Museumsbauten entsprechend, zwar kühl und minimalistisch, doch keineswegs selbstinszenierend. Sie dienen der Kunst des Ausstellens, bieten variable Lichtsituationen, Durchblicke und haben eine schöne Dachlösung. Mit dem Ausblick kann ein Restaurant genügend Besucher gewinnen. Die beiden Annexbauten sind als mit einer Glas-Metallhaut ummantelte Betonblöcke entworfen, die durch die Spiegelung der Fassaden und des Platzes reizvoll Neues mit Altem kombinieren. Auch die geringere Höhe als die des Haupthauses wird wohl kein Problem darstellen. Die Vision ist also ohnehin kein Geist aus der Flasche, sondern durchaus realisierbar. Eine Einigung im Haus und der Mut zur großen Lösung könnten zur Bereicherung der Museumsszene Wiens führen.



Printausgabe vom Freitag, 20. August 2010
Online seit: Donnerstag, 19. August 2010 19:02:00


Kommentare zum Artikel:

24.08.2010 07:59:32 Ensemblewirkung?
Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Pläne,das Künstlerhaus abzureißen oder aufzustocken (siehe Wiener Zeitung EXTRA vom 25.4.2003). Diese zumeist rein wirtschaftlich motivierten Vorhaben nehmen aber kaum Rücksicht auf die Ensemblewirkung. Nun soll also eine Glasfassade gegenüber dem Musikvereinsgebäude entstehen, und die Proponenten argumentieren in bewährter Form mit: "Bauschäden, reizvoller Kontrast von alt und neu" etc.
Zu hoffen ist, dass die "Wiener Zeitung" der hier zu erwartenden intensiven Diskussion ausführlich und fair Raum geben wird. Übrigens: Die (Zitat) "bewährt sensible" Vorgangsweise von Adolf Krischanitz hat sich bereits einmal am Karlsplatz als fragwürdig erwiesen: der temporäre Kunsthallen-Container (1992 - 2001) hat jahrelang heftige Proteste hervorgerufen und wurde vielfach als Provokation empfunden. Das ungeliebte Objekt mit dem toten Fußgängerdurchgang ist danach sang- und klanglos verschwunden. Als besorgte Wiener Bürgerin fürchte ich mich vor weiteren "kreativen" Ideen dieser Art. Renate Schediwy, 1050 Wien
Schediwy-Oppolzer
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